Die alte Mühle
von Joana Angelides
Nun habe ich diese
alte Mühle geerbt, in der ich viele Stunden meiner Kindheit verbracht habe.
Solange ich denken
konnte, gehörte dieses alte Haus Emmy, einer alten Tante von Mama. Oder war sie
aus der Familie von Papa?
So genau habe ich das
nie erfahren, auch nicht erfahren wollen.
Eigentlich war sie
mir immer unheimlich und doch zog es mich immer wieder hier her. Sie erzählte
mir Geschichten aus ihrer Kindheit, mit vielen unheimlichen Gestalten darin.
Manchmal, wenn ich mich dem Hause näherte, hörte ich sie mit ihnen reden, als
wären sie gerade da.
Bei Tage hatte sie
immer die Vorhänge vorgezogen und sie verließ das Haus selten und wenn, dann in
den Dämmerstunden.
Der alte Herbie vom
Delikatessengeschäft aus dem Dorf brachte ihr jahraus und ein die Lebensmittel
zum Haus und stellte sie bei der Treppe zur Haustüre ab. Damals war er noch ein
junger Mann, wurde im Geschäft angelernt und zu solchen Botendiensten
herangezogen. Er nahm dann immer gleichzeitig ein Kuvert mit dem Bestellzettel für die nächste Woche mit.
In dem Kuvert lag immer Geld und er verrechnete es von Woche zu Woche und legte
das Restgeld bei der Lieferung hinein.
Unsere kleine Stadt
war damals noch ein kleines Dorf und es war unvermeidlich, dass die Leute über
sie redeten. Doch es machte ihr nichts aus. Meine Besuche bei ihr waren für sie
die einzige Abwechslung.
Im Frühjahr tauchte
immer Andreusz, ein hoch gewachsener, kräftiger Mann bei ihr auf, der in dem
hinteren Zimmer sein Quartier bezog.
Er machte alle
anfallenden Arbeiten, reparierte das Dach oder besserte das Mühlenrad aus. Doch
auch er arbeitete gerne in den Abendstunden, bei Tage war er im Haus und zog
sich in den Keller zurück, wo eine Werkbank stand. Am Ende des Herbstes war er
immer verschwunden und niemand wußte, wohin er ging.
Ich saß dann gerne in der Ecke am Boden und
schaute ihm zu, wie er mit gleichmäßigen Bewegungen Bretter hobelte oder an
irgendwelchen Metallstücke herum hämmerte. Meist hielt er nach einer Weile
inne, legte seine Werkzeuge weg und blickte mich an.
„Was suchst du da, so ein hübsches kleines
Mädchen! Warum spielst du nicht mit den anderen unten am Fluß?“
„Mir gefällt es hier bei dir. Erzähl mir
wieder über das Schloß vom schwarzen Ritter Tejo, wie er den Drachen besiegt
hat. Oder von den Kämpfen von Eckhardt dem Einäugigen!“
Dann brummte er.
„Die habe ich dir schon Hunderte Male erzählt.
Aber ich werde dir heute von einem Grafen erzählen, der weit weg auf einem
wunderschönen Schloß gewohnt hat.
Der Graf hatte alle Bedienstete immer sehr
lange für ihn arbeiten lassen und wenn sie nicht gehorchten, dann hat er sie in
sein Verließ verschleppt und niemand hat sie je wieder gesehen. Man hat viele
Jahre später ihre Knochen dann hinter dem Schloß gefunden, in einer Grube.
Es heißt er hat ihr Blut getrunken und ihre
Seelen mit in die Hölle genommen!“ Er
lachte laut als er diese Geschichten erzählt und mich überkam dann immer so ein
angenehmes Gruseln. Manchmal sprang ich auf und lief weinend zu Emmy und diese
schimpfte dann immer mit Andreusz.
„Erzähle dem Kind nicht immer solche schaurige
Geschichten! Die nicht einmal wahr sind!“
„Sie hört sie aber doch gerne!“ Brummte er
dann oft und sah mich mit einem seltsamen Blick an.
Dann wandte er sich mir meist zu.
„Das sind alles nur Geschichten, Jahrhunderte
alt und keiner weiß, ob sie auch wahr sind. Aber man erzählt sie halt. Wenn du
nur etwas älter wärst, wir würden uns schon verstehen!“
Und manchmal kam er mir dabei sehr nahe und
ich konnte seine dunklen Augen in seinem Gesicht brennen sehen.
„Ich werde warten,
denn eines Tages wirst du das besser verstehen!“
Natürlich wartete ich
schon jedes Frühjahr darauf, dass Andreusz wieder kam. Jedes Jahr übte er die
gleiche Faszination auf mich aus.
Im Winter, wenn es
abends schon dunkel wurde und ich bei Emmy auf Besuch war, schlich ich mich in
den Keller zur Werkbank, in der Hoffnung er wäre da. Obwohl ich manchmal
Geräusche von unten zu hören glaubte, war der Keller jedoch kalt und leer.
Und doch, es war mir
oft, als würde Jemand unten wohnen, schemenhaft an mir vorbei gleiten oder
durch eine der Türen im Keller verschwinden. Es war mir als würde Licht
flackern, von Kerzen verursacht.
War da nicht ein
Lachen zu hören, dieses dunkle und doch amüsierte Lachen von Andreusz?
Ich sprach Emmy
darauf an doch sie lachte mich aus.
„Wer soll dort unten
wohnen, ist alles leer!“
Unser Haus lag auf
dem gegenüber liegenden Hang und es war ein kleiner Bach und ein paar dunkle
Nadelbäume dazwischen, die teilweise die Sicht versperrten.
Ich erinnere mich an
eine Nacht, in der ich nicht schlafen konnte und am Giebelfenster meines
Zimmers saß. Ich vermeinte drüben bei Emmy flackernde Lichter hinter den
Fenstern zu sehen. Das Haus war wie von
dunklen Schleiern umwoben und es war mir als würden aus dem Schornstein
hilfesuchend Hände heraus ragen. Doch das mußten die Wolken sein, die teilweise
den Mond verdeckten und dann wieder verschwanden. Ich war so erschrocken über
meine Fantasie, dass ich das Fenster schloß und den Vorhang zuzog.
Am nächsten morgen,
es war ein Sonntag ging ich zu Emmy. Sie saß im Schaukelstuhl beim Ofen und
summte vor sich hin.
Ich erzählte ihr
meine Beobachtungen.
„Du hast sicher was
Schlechtes geträumt, mein Kind. Ich bin gestern schon sehr zeitig zu Bett
gegangen und es war niemand da. Diese Hände, das wird der Rauch vom Kamin
gewesen sein!“
Ja, wahrscheinlich
war es so.
Die Jahre vergingen,
die Sommer kamen, mit ihnen immer Andreusz. Ich fragte mich, wie es sein konnte, dass weder Emmy
noch er, in all diesen Jahren alterten. Gut, Emmy war schon immer alt, aber
Andreusz blieb in meinen Augen immer der kräftige, gut gebaute Mann, so Mitte
Vierzig, mit vollem Haar und er hielt sich auch all die Jahre immer aufrecht.
Als ich einmal als
junges Mädchen dies zu meiner Mutter sagte, schaute sie mich erschrocken an und
verbot mir zu Emmy zu gehen, wenn Andreusz wieder da war.
Doch ich lachte nur
und ging weiterhin hinüber. Doch sah ich ihn von nun an mit anderen Augen. Ich
stellte fest, dass er eigentlich ein sehr gut aussehender Mann war. Naja,
vielleicht ein wenig schweigsam, doch wenn ich so das Muskelspiel seiner Arme
beim Hacken des Holzes für den Winter sah,
stellte ich Vergleiche mit den anderen Männern aus unserem Freundeskreis
an und da schnitten die schon schlechter ab.
Wenn ich mich nun so
in die Ecke auf den ersten Treppenabsatz setzte und versuchte, von ihm wieder
Geschichten zu hören, hörte ich nun auch auf den Klang seiner Stimme. Sie
drückte an manchen Tagen düstere Landschaften aus, mit kämpfenden Horden
und Heerscharen der Hölle, von Hexen,
die am Scheiterhaufen verbrannten. Dann gab es wieder Tage, da erzählte er von
Rittern, die um schöne Damen kämpften, da bemerkte ich auch weichere Farben und
Zeichen in seinen Augen.
Ein einziges Mal
berührte er mich, als ich fast über die Treppe gestürzt wäre. Er fing mich auf
und für einen Moment hielt er mich fest und sein Mund war meinem Hals so nahe,
dass ich seinen Atem spüren konnte.
Er stellte mich
jedoch sofort wieder hin und brummte, ich solle doch besser aufpassen.
Nun war Emmy
verunglückt. Sie war eben diese Treppe im Keller hinunter gestürzt und hat sich
den losen Eckpfeiler unten durch die Brust gestoßen.
Sie muß sofort tot
gewesen, erzählte der Arzt. Ich war für einige Tage verreist und als ich zurückkam,
war auch das Begräbnis bereits vorbei.
Ich stand nun hier und lauschte in die Stille des
Hauses. Es wird sicher nicht leicht sein, einen Mieter für das Haus zu finden.
Zu viele Geschichten ranken sich um die alte Mühle. Das Klappern des Rades war
auch nicht Jedermanns Sache.
Da war es wieder,
dieses Geräusch im Keller. Ich ging kurz entschlossen zur Kellertüre und
öffnete sie. Die Treppe war noch immer nicht repariert, der abgebrochene
Pfosten lag unten und es zog mich mit aller Kraft hinunter.
Ich stieg zögernd und
langsam hinab und blieb dann unten stehen. Woher kam der Luftzug, es mußte
irgendwo ein Fenster offen sein.
Und da stand er! Er
stand an der Wand und löste sich langsam aus dem Schatten. Seine breiten
Schultern, seine hohe Gestalt füllten den ganzen Raum aus.
„Hallo, Kleines, da
bist du ja!“
Ich starrte ihn an.
Wieso war er da? Es ist doch Winter und eigentlich sollte er erst im Frühjahr
wiederkommen.
Ich stand wie
erstarrt da und konnte meine Augen nicht aus den seinen lösen. Sie waren noch
dunkler, als sie sonst immer waren, im Hintergrund sah ich eine kleine Flamme
lodern Er hob beide Hände an und legte sich auf meine Schultern.
„Ja, du bist nun
wirklich eine schöne Frau geworden! Ach, wie lange habe ich auf dich gewartet,
sah dich zum Mädchen, dann zur jungen Frau werden. Ich bin nun da, um dich zu
mir zu holen.“
Ich wich einen
Schritt zurück, wollte weglaufen, doch war ich bewegungslos, ja wirklich
fasziniert von seiner Wandlung.
Plötzlich erschien er
mir als der lange erwartete Eroberer, mein Prinz, der Held meiner Jugend.
Ich schloß meine
Augen und ließ es geschehen, dass er mich umfaßte, sein Gesicht an meinen Hals
legte. Ich hörte ihn flüstern und Worte sprechen, die ich ihm nie zu getraut
hätte.
Es war dann vollkommen
logisch und erwartet von mir, als ich einen kleinen Schmerz seitwärts an meinen
Hals spürte und wußte, dass sich unser Blut für ewig verbunden hatte.
Ich werde die Mühle
nicht vermieten, ich werde selber hier einziehen, ich werde das Vermächtnis von
Emmy übernehmen.
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