Der Schmerz
von Joana Angelides/ Xenia Portos
Ein kaum
wahrnehmbares Geräusch in der Luft, ein kurzes Pfeifen wird hörbar und die
Gerte findet ihr Ziel.
Der Atem stockt, der
Schmerz bahnt sich seinen Weg. Er frißt sich rasend schnell durch den Körper,
scharf und beißend, erreicht in mehreren Wellen das Gehirn und beginnt sich
dort auszubreiten, explodiert und fließt wieder zurück.
Vom Moment an, wo die
Gerte das anvisierte Ziel erreicht, den Schmerz durch den Körper jagt, bis zum
befreienden Schrei vergehen nur Sekundenbruchteile, eine kleine Ewigkeit.
Nun wütet er,
zerreißt Nerven, jagt Signale durch den Körper, läßt ihn sich aufbäumen und
alles rundherum vergessen. Rote Kreise beginnen sich zu drehen und werden
weißglühend.
Langsam ebbt er ab. Das ist der Moment, wo der zweite Hieb
der Gerte kommt, mitten in die abklingende Kurve trifft und den Schmerz
neuerlich auf den Weg schickt. Diesmal ist er stärker, kennt den Weg zum Gehirn
schon, bis in die letzte Nervenzelle, peitscht sie auf, läßt sie rot glühen und
tausend Messer in die Nervenbahnen schicken. Die gesamte Nervenbahn beginnt zu
vibrieren und zu singen wie Drähte unter Strom.
Alles ist rot, hinter
dem Augapfel beginnt das Blut in einem roten Schleier zu fließen, zuckende
Blitze erhellen das Innere und die Schreie gehen nahtlos in leises Wimmern
über, und wenn der Schmerz das Gehirn durchlaufen hat und etwas abebbt, kommt
der dritte, wohl dosierte Schlag.
Das Geheimnis liegt
daran, den Schmerz der einzelnen Schläge voll wirken zu lassen, sie durch den
Körper zu jagen, ihnen Zeit zu lassen, sich auszubreiten, die Wirkungen voll
spürbar zu machen, bevor der nächste voll trifft.
Erst wenn die Flammen
des Feuers den letzten Schmerz voll wirken und wieder abklingen lassen, dann
wird der nächste Schlag zur Vollendung. Er trifft das Schmerzzentrum, reißt
letzte Barrieren auf und durchflutet den Körper, er versucht in eine Ohnmacht
zu fliehen, bäumt sich auf, schreit seine Empfindungen heraus und erwartet
trotzdem den nächsten Hieb.
Dieser reißt den Körper
in die Höhe, wieder wird alles rot, der Schmerz beginnt sich erneut zu drehen
und bohrt sich tief in das zuckende Fleisch.
Es ist, als wäre der Körper geöffnet, als würde das
rohe Fleisch darliegen und alles weiss
und lautlos wird. Das Gehirn beginnt zu kochen, der Mund ist offen und man kann
nicht mehr schreien. Die Wellen des Schmerzes erfassen jeden Muskel, sie zucken
und verkrampfen sich, die Nerven sind aufs Äußerste gereizt, sie senden eine
Welle nach der anderen durch ihre Bahnen. Der Schmerz der vorangegangenen Hiebe
ist noch auf der Lauer, kompensiert diesen Schmerz und es wird die Hölle
aufgetan.
Es ebbt nur langsam
ab, jeder Hieb hat eine Erinnerung hinterlassen, sie verläßt den Körper nur
langsam, jede Berührung der Haut ruft sie jedoch wieder hervor.
Doch in einer Form,
der die Sinne anspannt, eine seltsame Erregung erzeugt, den Körper zum Sieden
bringt. Bis ein Adrelaninstoß den Schmerz plötzlich relativiert und der Körper
Endorphine ausschüttet, die allen Schmerz vergessen und ihn nur mehr fliegen
lassen.
Dann merkt der Körper
erst, dass er erregt ist. Alles Blut schießt in das Lustzentrum und nun schreit
der Körper, den Schmerz nur mehr als Erinnerung im Hintergrund, nach Erlösung.
Der Schmerz war nur
Vorbereitung, ein Öffnen der Empfindungen und zärtliche Hände bereiten nun die
nächste Explosion vor, streichen über empfindliche Stellen, verstärken aufkeimende
Gefühle, lösen eine ganze Perlenkette an Empfindungen aus.
Der Körper bäumt sich
in einem ungeheuren Furioso erneut auf und verglüht.
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