AUSZUG AUS DEM e-Book
"BLUT UND BEGIERDE"
von XENIA PORTOS
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Er war ein sehr ruhiger Gast, der tagsüber das Zimmer
nicht verließ und nur abends selbst mit
dem Pferdegespann des Wirtes zu dem
alten Gebäude fuhr, um den Fortgang der Arbeiten des vergangenen Tages zu
überprüfen.
Anschließend entschwand er wieder im ersten Stock des
Gasthofes. Man konnte die ganze Nacht schwaches Licht durch die dichten,
vorgezogenen Vorhänge schimmern sehen.
Natürlich erweckte er die Neugier der Menschen.
Gleichzeitig jedoch wahrten sie Distanz zu ihm. Seine hohe dunkle, unheimlich
wirkende Gestalt mit dem schwarzen Hut und dem weiten Mantel flößte ihnen so
etwas wie ängstlichen Respekt ein.
Nach ungefähr zwei Monaten waren die Bauarbeiten abgeschlossen
und er kündigte seine Abreise an.
An einem der nächsten Abende
erschien wie aus dem Nichts wieder die schwarze, geschlossene Kutsche, dieses
Mal mit dem Kutscher am Kutschbock, der
das schwarze, unruhige Pferd souverän im Zaume hielt.
Der schweigsame
Gast trug seine beiden Koffer und die große schwarze längliche Truhe mit Hilfe
des Kutschers selbst aus dem Haus und sie luden alles hinten auf, er setzte sich in die
Kutsche und sie fuhren durch den Wald und über die neu renovierte Brücke. Die
Pferdehufe hallten laut und unheimlich weit ins Land hinein.
In dieser Nacht gab es ein schreckliches Unwetter, es
donnerte und blitzte gewaltig und der Regen ergoß sich in Strömen über den
kleinen Ort. Niemand getraute sich aus dem Haus. Alle Fensterläden waren
geschlossen. Die Dorfstraße wurde zu
einem reißenden Bach. Das Dorf lag in
völliger Stille und Dunkelheit da, man hörte nur den Wind an den Fensterläden
rütteln. Und doch glaubten die Dorfbewohner einige Pferdekutschen draußen
vorbei fahren zu hören, sie schattenhaft
auch zu sehen. In das Donnergrollen mischten sich auch die Geräusche von Pferdehufen auf der
Holzbrücke. Es klang wie eine wilde Jagd, die Pferde wieherten und
dazwischen war auch Hundegebell zu hören.
Am nächsten Morgen, es war ein Sonntag, stellten man
fest, dass das Unwetter besonders am Friedhof einigen Schaden angerichtet hat.
Neben der Friedhofsmauer waren einige
frische Grabhügel weggeschwemmt, die Särge
anscheinend von den Fluten davon getragen. Sie wurden weiter unten
wiedergefunden. Doch die Leichname waren verschwunden und konnten trotz
intensiven Suchens nicht wiedergefunden werden.
Nach der Sonntagsmesse am nächsten Morgen sah man die Leute tuschelnd am Kirchplatz zusammenstehen und
als der Pfarrer zu nahe herankam, verstummten sie oder wechselten das Thema.
Die Stimmung war allgemein gedrückt. Man wusste nicht, was man von den
Ereignissen halten sollte.
In der darauf folgenden Nacht waren wieder Pferdehufe auf der Brücke zu
hören und einige beherzte Männer aus dem Dorf machten sich auf den Weg durch
den Wald. Sie wollten sich Klarheit darüber beschaffen, was dort vor sich ging.
Aus der Tiefe des Waldes hörte man Geräusche
aus dem Unterholz, ein Käuzchen ließ seinen Ruf erschallen und irgendwo
heulte ein Wolf. Um die Höhlen des aufsteigenden Felsens flogen Fledermäuse
unruhig hin und her und es kam wieder Wind auf.
Der am Himmel stehende blasse Mond legte sein
bleiches Licht auf dieses Schauspiel und
so manchem liefen kalte Schauer über den Rücken. Riesige Fledermäuse
durchstreiften gemeinsam mit schwarzen Krähen die Luft.
Einige stahlen
sich ängstlich unbemerkt wieder davon und liefen zurück ins Dorf.
Diejenigen, welche geblieben waren, blickten zögernd auf die andere Seite
hinüber. Das Schloss war beleuchtet, es standen auch drei Pferdekutschen davor,
die Pferde unruhig und schnaubend. Sie zögerten kurz und sahen sich fragend an.
Da sie nun aber einmal da waren, entschlossen sie sich
doch, hinüber zu gehen. Sie gingen über
die Brücke, dann an den Pferdefuhrwerken
vorbei und standen vor der Eingangstüre, die mehr ein Tor und nur angelehnt war.
Es schien als wären sie erwartet worden, denn das
große schwere Tor wurde plötzlich weit geöffnet und sie konnten ungehindert eintreten. Niemand
begrüßte sie, es war als ob man nicht besonders erstaunt war, dass sie so plötzlich
da waren.
Der Tisch in der Mitte des Raumes war mit einem dunkelroten Tischtuch bedeckt, es
standen Gläser mit Rotwein darauf und die Gesellschaft unterhielt sich
angeregt. Es handelte sich um drei Männer und zwei Frauen. Die Männer waren mit
dunklen Anzügen und blütenweißen Hemden bekleidet, die beiden Damen trugen
unter ihren schwarzen Umhängen weiße lange Kleider mit üppigen Rüschen an den
Oberteilen.
Die Beleuchtung bestand aus sehr vielen brennenden
Kerzen, die in Leuchtern am Tisch standen, jedoch auch am Boden und in den
Fensternischen waren brennende Kerzen willkürlich angeordnet. Das flackernde
Licht warf bewegliche Schatten an die Wände.
Die staunenden
Dorfbewohner wurden nun doch herbeigewunken und mußten auf den leer stehenden Sesseln Platz
nehmen. Es wurde ihnen Rotwein eingeschenkt und sie wurden genau betrachtet,
einige sogar berührt. Man berührte ihre Haare, strich über ihre Nacken und Arme
und mit stechenden Blicken zwangen sie sie, sitzen zu bleiben.
Es wurde auch anfangs nichts gesprochen und es war ihnen
als würden sich alle zeitverzögert bewegen.
Danielle und Sabrina, zwei junge Mädchen aus dem Dorf
waren besonders neugierig. Sie wollten diese Fremden näher begutachten, es
kamen ja so selten Besucher ins Dorf. Sie zeigten sich demonstrativ neugierig
und lächelten in die ihnen fremden Gesichter, versuchten vergeblich von ihnen
auch ein Lächeln zu erhaschen. Es waren jedoch kalte, ernste Blicke aus dunklen
brennenden Augen.
Die Unterhaltung entwickelte sich in der Folge aber
dann doch immer lebhafter, dauernd wechselten die Sitzpartner und langsam
verschwamm Wirklichkeit und Halbtraum. Sie wurden von den leicht schwebenden Körpern der Anwesenden häufig
umarmt, sie flüsterten und raunten ihnen Dinge ins Ohr, die sie teilweise nicht
verstanden oder glaubten nicht richtig zu verstanden zu haben. Ihre Fantasien,
oder war es Wirklichkeit, spielten ihnen süße schmerzhafte Vereinigung mit fast
körperlosen Wesen vor, sie spürten
heißen Atem und dann wieder kühlen Todeshauch auf ihrer Haut. Sie
fühlten sich in einem Moment körperlos und kraftlos, im anderen Moment
voll Energie und Bewegung. Die Luft war geladen mit Düften und Aromen. Sie
glaubten einmal leise, tragende Musik zu
hören, dann wieder hereinbrechende Melodien, wie die Urgewalten des Universums.
Ihr Gehör war durch den Genuss des Weines geschärft und imstande die leisesten Schwingungen und
Wellen im Raum wahrzunehmen.
Der Raum war erfüllt von Farben und silbernen Schleiern,
sie fühlten sich emporgehoben und gewichtslos, aller Kraft und Bodenhaftung beraubt.
Es ging nicht nur den beiden Mädchen so, für diese
einfachen Menschen aus dem Dorf, Bauern und Handwerker war es eine fremde
faszinierende, bisher nicht gekannte
Welt. Manche vergaßen woher sie kamen, dass sie Familie hatten, oder
Handwerksbetriebe. Sie wollten nur noch, dass dies alles nie wieder aufhört und
stürzten in endlose, dunkle, dann wieder hell leuchtende Tiefen und Strudel.