Mittwoch, 7. Februar 2018

Die Schatten hinter dem Licht, unheimlich



Die Schatten hinter dem Licht
von Joana Angelides 


Bildergebnis für Wolf wald

Der graue Wolf war wieder da. Er hörte ihn um das Haus herumschleichen und manchmal an der Rückseite des Hauses am Holz kratzen.
Es war ein einsamer Wolf, ohne Anschluß an ein Rudel und sicher halb verhungert. Entweder war er verletzt oder zu alt um Selbst etwas zu reißen. Er kam nur nachts im Schutz der Dunkelheit. Bei Tage konnte er jedoch seine Anwesenheit im Dickicht des Waldes spüren.
Er warf ihm hin und wieder ein paar Fleischstücke oder Innereien der erlegten Tiere zur Wassertränke hin. Doch der Wolf wagte sich bei Tage nicht heran, er kam immer in der Dämmerung, wenn die Konturen verschwommen und er fast mit den Schatten verschmolz. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung, war der Wolf ein scheues ängstliches Tier und fürchtete sich vor dem Menschen. Nur im Rudel fühlte er sich stark.
Bisher hatte er ihn noch nie in seiner vollen Gestalt gesehen, er sah ihn als Schatten an der Wand der Hütte, oder gerade noch seine Rute mit dem hinteren Lauf im Dickicht verschwinden, wenn er sich die Fleischstücke geholt hatte. Niemals fraß er es an Ort und Stelle.

In den letzten Vollmondnächten war sein Heulen laut und schauerlich durch den Wald zu hören. Es klang wie Wehklagen eines unendlich traurigen und verletzten Tieres.

Was wird wohl aus ihm im Winter werden, wenn die Hütte verlassen und rundherum eine dicke Schneedecke alles Leben erschweren wird?
Er schüttelte den Kopf und schlürfte aus seiner dicken Keramikschale den Tee und schaute ins Feuer. Es knisterte, kleine Funken sprangen heraus und verglühten vor dem Kamin am Steinboden.
Er fühlte eine Seelenverwandtschaft mit dem einsamen grauen Wolf, obwohl dieser eindeutig im Nachteil war. Er hatte keinen sicheren, warmen Platz in kalten, windigen Nächten, hatte keine schützende Höhle, wie er selbst. Doch die Einsamkeit war eine Gemeinsame. Diese Einsamkeit, die wie eine tiefe Höhle war und immer weiter in den Berg der Bedrückung hineinführte und kein Ende zu haben schien. Rufe, geschickt in die Dunkelheit, wurden verschluckt und kein Echo kam zurück.

Er stellte die Schale mit dem restlichen Tee wieder weg, nahm seinen Mantel und ging hinaus.
Die Nacht war kalt, der Himmel wolkenlos und klar und die runde Scheibe des Mondes am Himmel schien, je länger er sie ansah, immer größer zu werden.

Der Wald schien beweglich. Die Schatten wurden durch die bewegten Äste und Zweige der Bäume unruhig hin und her geworfen und zeichneten dunkle, fließende Konturen in das Moos.
Da, bewegte sich hier nicht nur der Schatten, sondern auch der Baum?  Plötzlich schien der Wald zu leben. Was war es nur, dass ihn unwiderstehlich in den Bann dieses Waldes zog? War es die plötzliche Bewegung, die vermeintlichen Gestalten zwischen den Stämmen, die Möglichkeit von Gesellschaft in dieser Einöde, die er nun schon seit Wochen ertrug?
Er verdrängte die aufsteigenden Bedenken, den kleinen Rest von Angst und die angeborene Vorsicht und wagte sich tiefer hinein in das leise raunende, flüsternde Dickicht.
Plötzlich stand er vor ihm, dieser einsame graue Wolf und blickte ihn mit seinen hellen Augen ruhig an und machte kehrt und ging tiefer in das Gehölz.  Nach einigen Metern blieb er stehen und drehte sich um, um zu sehen, ob er ihm auch folgte. Der Mann verspürte einen inneren Zwang, es war wie eine Aufforderung ihm zu folgen und er konnte sich dagegen nicht wehren.

Immer tiefer und tiefer drangen sie beide vor und standen plötzlich vor einer Lichtung mit einem kleinen See, den er noch nie gesehen hatte.
Ein großer, hagerer Mann trat aus dem Schatten eines Felsens hervor und streckte ihm die Hand entgegen.
„Kommen sie, ich zeige ihnen unser Reich. Hier schöpfen wir Kraft und Licht.“
„Licht?“ Stammelte er.

„Ja, das wenige Licht, das wir brauchen nehmen wir aus dem See. Es ist das Mondlicht, das sich auf dem See spiegelt. Wir nehmen es auf und streuen es um uns herum!“

Er bewegte sich auf das Wasser zu und es schien als würde er über das Wasser gleiten, bückte sich und nahm tatsächlich mit seinen Armen Licht auf und streute es ans Ufer.
Es war ein bleiches, silbernes Licht, das sich auf der Wiese ausbreitete und matt einige Felsen beleuchtete und dadurch wurden die im Dunkeln an die Felsen gelehnten Gestalten sichtbar.  Sie blickten ihn an und er hatte das Gefühl, sie schon lange zu kennen. Sie erhoben sich und umringten ihn. Ohne dass er es verhindern konnte, faßten sie ihn an, berührten seinen Kopf, seine Arme und lächelten ihn an.

„Wir sind seit Jahrhunderten hier. Es ist unser Wald. Früher gehörte dieser Wald den Druden und Hexen, doch wir haben ihn vor langer Zeit erobert. Bleibe bei uns, wir führen dich zurück in die Vergangenheit, wir zeigen dir eine wunderbare Welt, werde einer von uns!“

Er fragte sich ob er zu ihnen gehörte, ob er zu ihnen gehören wollte. Es wäre eine Gemeinschaft, die ihn scheinbar mit offenen Armen aufnahm. Doch er wußte auch, der Weg zurück war versperrt.

In seinem Brustkorb entstand ein Ziehen, süß und schmerzhaft zugleich. Er spürte, wie sich sein Körper zu wiegen begann und gleichsam von einer Gestalt zur anderen gebogen wurde. Es umschmeichelten ihn leise Sirenentöne und er wiegte sich einmal in den Armen dieser oder jener fast durchsichtig scheinenden lockenden Körper der Frauen unter den Anwesenden. Ihre Lippen liebkosten seinen Hals, gleichzeitig faßten seine Hände nach Schleiern und wallenden Haarmähnen. Sein Blut rauscht im Rhythmus der sich bewegenden Masse. Sein Körper fühlte sich schwerelos an und er verspürte plötzlich den Wunsch, diesem Zustand verhaftet zu bleiben für alle Ewigkeit. Willig überließ er seinen Körper dem zwingenden Tanze der sich an ihn schmiegenden, biegsamen Körper. 
Er spürte die Vereinigung seines Blutes mit dem Blut der schwebenden Körper kaum, es war ein nahtloser Übergang von einer Existenz in die andere. Das Heulen des grauen Wolfes drang über den See durch den Wald und erreichte die Scheibe des Mondes, die zitternde Lichter über den See schickte.

Er wußte am Ende dieser Nacht, dass er nie wieder hinab ins Tal steigen wird.



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Tödlicher Übergang, düster



Tödlicher Übergang.
von Joana Angelides

 Bildergebnis für nächtlicher Fluss


Die Ampel stand auf Rot, es regnete in Strömen. Der Radiosprecher sprach vom Wetter, als würde es ihn in Wirklichkeit gar nicht interessieren.

Sie interessierte das Wetter von morgen auch nicht mehr. Sie wird heute in den Fluß eintauchen und sich den Fluten ergeben, den Tod suchen.
Paul war nicht mehr, das Leben ohne ihn war triste und grau, freudlos die Abende und bedrückend die schlaflosen Nächte.
Ihre täglichen Besuche an seinem Grab brachten keine Erleichterung, im Gegenteil, sie erzeugten Sehnsucht. Sehnsucht bei ihm zu sein, diese Welt der endlosen Finsternis mit ihm zu teilen.

Der schwarze Ford hinter ihr sah irgendwie bedrohlich aus. Es war nicht alleine die Farbe, auch der Fahrer erschien ihr irgendwie unheimlich. Sie konnte sein Gesicht zwar nicht sehen, da sich die Straßenbeleuchtung in der Scheibe spiegelte, aber der tief ins Gesicht gezogene Hut vervollständigte den unheimlichen Eindruck.

Nach der Brücke wird sie links abbiegen und der Ford wird weiterfahren.

Endlich sprang die Ampel auf Grün und sie fuhr über die Brücke, der Ford klebte an ihrer Stoßstange.

Als sie, wie beabsichtigt, links abbog und neben der Brücke am Fluß anhielt, bog auch der unheimliche Wagen ab, blieb hinter ihr stehen und die Scheinwerfer erlöschten.
Es schien, dass er wartete.

Worauf?

Es war ihr egal, sie öffnete die Wagentüre, ließ sie offen und schritt langsam zum Ufer des Flusses und starrte ins Leere.

Sie stand im Regen und spürte ihn nicht. Es regnete seit Tagen, doch da es auch in ihrem Inneren grau und feucht war, ihre Tränen nach innen flossen, war er nicht spürbar.

Die Stadt flimmerte an der gegenüberliegenden Seite des Flusses, die Lichter tanzten unruhig auf und nieder am vorbei strömenden Wasser. Die Strömung war träge, wie es eben bei so großen Flüssen immer ist. Die Geräusche kamen nur gedämpft herüber, verloren sich in der Weite des Flußbettes.

Niemand hört die leisen Schreie der zum Leben verurteilten.

Es gibt Nächte wie schwarzes Glas, sie lassen die seltenen Nächte aus dunkel blauem Samt vergessen, diese sind Vergangenheit.

Die Sehnsucht, sich Umarmen zu lassen erreichte ihren Höhepunkt.

Es wäre Erlösung für sie, sich von den Wellen empfangen, umschließen zu lassen vom schwarzen Glas der Fluten. Sie hört die Rufe aus der Tiefe, es sind die Stimmen der Sirenen, die flüstern und säuseln. Die Wellen erzeugen Bewegungen, Treppen gleich, die abwärtsführen. Sie war vor Tränen fast blind, sie will diese imaginäre Treppe hinabgehen, sich ziehen und locken lassen. Der Tod scheint sie mit ehernen Armen zu umklammern, die Strudel werden sie hinab in die Erlösung ziehen, sie spürt so etwas wie eine Erleichterung.


„Nein, tun sie es nicht!“  Seine dunkle Gestalt steht plötzlich genau hinter ihr, sie haben fast Körperkontakt.

Was war das für eine Stimme? Dunkel und hohlklingend, energisch und fordernd.
Sie hält den Atem an und zieht die Schultern hoch. Ihr Körper wird steif und die Kälte kriecht von den Beinen langsam zu ihrem Herzen, in die Arme und die Fingerspitzen.

„Lassen sie mich in Ruhe!“ Schreit sie fast.

„Das, was sie vorhaben, ist einfach keine Lösung für ihr Problem. der Schmerz und die Trauer werden zwar von einem Moment auf den Anderen verschwinden, sie werden aber dann gar nichts mehr fühlen. Kommen sie mit mir, ich eröffne ihnen eine Welt des ewigen Schmerzes, der Finsternis, aber des Genusses. Jahrhunderte werden vergehen in körperlosem Schweben, Suchen und Finden!“

Sie hörte seine Worte, verstand aber die Bedeutung in keiner Weise.

War dies der Tod? War dies der Eintritt ins Jenseits, von dem sie sich eigentlich ein Ende der

Einsamkeit und Trauer, ein Ende allen Schmerzes und Fühlens erwartete?


Sie drehte sich langsam um und erschauerte. Sein Gesicht unter dem großen schwarzen Hut wirkte bleich und knochig. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, schwarz und nicht erkennbarer Iris.

Soll sie sich in seine Arme begeben, ihm ihr Leben und ihre Seele übergeben und endlich frei sein von der Last des Lebens?
Fragen über Fragen stürmten über sie herein und sie fand keine Antwort.

Er hob einen Arm und es tat sich ein schwarzer Umhang auf, innen rot gefüttert und knisternd.

Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran.

Ihr Gesicht hob sich empor, es war tränenüberströmt, die Lippen halb geöffnet und die Augen weit aufgerissen.

Er hielt sie fest, ließ ihr keine Möglichkeit auszuweichen. Ihre beiden Körper waren eng aneinander gepreßt, er spürte ihren Körper, der voller Leben war, roch ihren Duft und ihre Angst und das machte sie begehrenswert für ihn.
Er wollte sie haben, sie mit sich nehmen in seine Welt, Jahrhunderte lang!

Sie erschrack, was machte sie da, wieso ließ sie sich von diesem fremden Mann umarmen, als wären sie ein Liebespaar?
Seine Umarmung löste Erinnerung an Vergangenes aus, an Umarmungen und Berührungen. Längst vergessene Träume.

Nur einen Moment sich fallen lassen, diese Umarmung umzusetzen in Sehnsüchte und Träume, das wollte sie für einen Augenblick geniessen.

Er spürte, wie sie sich entspannte, ja sich fast fallen ließ und wenn er sie nicht so festgehalten hätte, wäre sie vielleicht zu Boden geglitten.

„Paul, bist du das?“ Sie flüsterte es fast.

„Ja, ich bin der, der du willst, dass ich bin“, er senkte seine Stimme und flüsterte es ihr ins Ohr.

Für sie war es der scheinbare Übergang vom Leben in den Tod, sie glitt einfach in eine andere Ebene und ergab sich.

Sein Mund strich langsam vom Ohr über ihre Wange zum Hals. Dort, wo er die Schlagader spürte, die pochte und das Blut pulsierend durchjagte. Ihr Herz klopfte wie der Hammer am Amboß.

Sie spürte das Eintauchen seiner Zähne kaum, sie standen minutenlang still und sie genoß, wie der Saft des Lebens aus ihr herausrann, wie er es gierig aufsaugte und dabei mit einem Arm auf ihrem Rücken auf und abglitt. Sie spürte eine Erregung aufsteigen, die ihr fremd war. Wild und schrill, im Inneren schreiend und ihren ganzen Körper erfassend. Der Körper glühte und sie stand in Flammen, ohne wirklich zu verbrennen.


Ihr Körper wurde leicht und aller Schmerz und auch Trauer verschwanden plötzlich.

Sie hatte den Eindruck, dass sie sich beide erhoben, über den dunklen Fluß glitten, alles unter sich lassend.

Plötzlich war alles bedeutungslos, die dunklen, über den Himmel jagenden Wolken wurden zu wohlbekannten Gebilden. Sie hörte viele Stimmen, die sie vorher nie hörte. Es war Heulen und Raunen in der Luft, Sie sah tief unter sich glühende tiefe Schächte, Körper die sich winden, andere die vorbeiflogen. In der Ferne war das Krächzen von Raben zu hören.

Die Dunkelheit umfing sie, sie wollte nie wieder die Sonne sehen, wollte sich in der Dunkelheit verkriechen.

War das der Tod, oder nur die Vorstufe zur Unterwelt? Wo war der Fluß?




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