Samstag, 10. Januar 2015

BEGEGNUNGEN DER NACHT, erotisch-vampirig





Begegnungen  der Nacht

von Joana Angelides


 Nun saß er schon die dritte Nacht vor dem Computer und die wenigen Zeilen, die als Ausbeute da standen, starrten ihn an.

Er kam einfach mit seiner Geschichte nicht weiter. Die Geräusche welche tagsüber ablenkten hatte er ausgeschaltet, indem er nachts schrieb; wobei auch die angenehme Kühle der Nacht   dazu verleitete, besonders in diesen Tagen mit fast tropischen Temperaturen.

Doch die letzten zwei  Nächte waren   angefüllt mit Raunen und Flüstern, mit Geräuschen die von draußen in den Raum drangen. Manchmal schien es ihm, als wären Menschen auf seiner Terrasse, so dass er nach draußen ging und lauschte. Er hatte dann einen wunderbaren Überblick über die Lichter der Stadt und sah die Kirchtürme  schemenhaft in einiger Entfernung in die Höhe ragen und den Himmel, der sie umgab in hellerem Licht. Doch es war niemand zu sehen. Nur eine leichte, angenehme  Brise berührte ihn und ließ sein Haar in die Stirne fallen.
Nach einer Zigarette, deren Stummel er dann in die Nacht schnippte, ging er wieder hinein und setzte sich  an den Schreibtisch. Er bog seinen Kopf zurück und blickte an die Decke. Um seine Gedanken zu sammeln.
Der weiße dünne Vorhang, der zur Hälfte die Türe bedeckte,  wurde plötzlich in den Raum geweht und eine leichte Brise von draußen verfing sich in ihm. Der Stoff bauschte sich auf und legte sich über den Bildschirm. Er griff danach und spürte zu seinem Erstaunen eine Hand die sich um die seine legte und einen leichten Druck ausübte.
Er stand auf und ließ sich von dieser Hand um den Schreibtisch herumführen und verfing sich in dem Vorhang. Es war wie die Umarmung eines weichen  Körpers. Und es war ein weiblicher Körper, weich und anschmiegsam, angenehm kühl in dieser heißen Sommernacht.

„Komm, tanze mit mir!“ Raunte ihm eine kehlige, etwas rauhe Stimme ins Ohr. Sie ließ sich umfassen und ihr schweres Parfum stieg in seine Nase und explodierte in seinem Kopf. Er war wie benommen. Plötzlich erschien es ihm wunderbar, so schwerelos durch die Türe hinaus in die dunkle Nacht zu gleiten. Ihr langes Haar flog ein wenig durch die Drehung und verdeckte seine Augen.
Nun bemerkte er auch die Anderen auf der Terrasse, sie lösten sich aus den Schatten beim Abluftsystem,  dem Abgang zur Treppe und dem Liftschacht, sie bewegten sich im Mondlicht und wogten hin und her.
Also hatte er sich doch nicht getäuscht, als er glaubte  Stimmen und Raunen von draußen gehört zu haben.
Noch immer hielt er dieses leichte Geschöpf in seinen Armen, spürte den Druck ihres Körpers, sah in tiefe grün schillernde, schwarz umrandete Augen, die voller Versprechen waren.
Ihre  Lippen waren halb geöffnet und schienen wie eine blutrote Rosenknospe im morgendlichen Sonnenlicht. Es schien als wären sie  glänzend, vom Tau des Morgens. Er hatte nur den einen Wunsch, diese Lippen zu berühren, den Tau davon in sich aufzunehmen. Als er ihren Atem spürte, war es bereits zu spät um noch zurückzuweichen. Ihrer beiden Lippen berührten sich und er spürte, wie sich alles um ihn drehte und er in einen tiefen Tunnel fiel, der sich spiralförmig nach unten bewegte und um ihn herum drehten sich Wirbel aus weißen  Schleiern, und ein tosender Wasserfall, blutrot gefärbt, umgab ihn.
Sie löste sich von seinem Mund und grub ihre Lippen in seinen Hals. Das Versenken  ihrer Zähne  darin empfand er als einen lustvollen Schmerz, der nach dem ersten Aufbäumen zu totaler Ermattung führte. Er glaubte mit ihr ein Körper zu sein, aufgehend in ihr, unlösbar verbunden. Um sie beide  herum tanzten inzwischen weiterhin diese seltsamen, dunklen Gestalten und es schien ihm Totentanz und Hochzeitstanz zugleich zu sein.
Wie lange diese, die Sinne erregende  Begegnung nun gedauert hatte war im Nachhinein nicht mehr feststellbar. Doch als er erwachte, lag er am Boden der Terrasse, die zu seinem Atelier führte. Die hinter den Dächern zaghaft aufgehende Sonne mit ihren wärmenden Strahlen hatte ihn geweckt und tat in seinen Augen weh. Er stand völlig benommen auf und taumelte mehr als er ging wieder in sein Atelier zurück. Er war völlig erschöpft, er wollte nur schlafen und zog die Vorhänge zu.
Er verfiel  in einen tiefen Schlaf, der den ganzen Tag über dauerte. In seinen Träumen kamen schemenhaft dunkle Gestalten vor, die um ihn tanzten, ihn berührten. Immer, wenn er glaubte in den Armen einer der weiblichen Gestalten zu liegen, verspürte er ein ziehendes, angenehmes Gefühl in seinem Innersten.

Nach dem  Untergang der Sonne öffnete er die Türe zur Terrasse und atmete tief die kühlere Nachtluft ein und trat erwartungsvoll hinaus. Es hatte sich nichts verändert. Hatte er nur geträumt? Wo waren die Gestalten geblieben, die aus dem Schatten hervortraten, die um ihn tanzten, wo war dieser wunderbare  weiche weibliche Körper der sich an ihn schmiegte? Seine Finger berührten seinen Hals und er verspürte dort verwundert einen kleinen Schmerz.

Enttäuscht ging er wieder hinein und setzte sich an den Schreibtisch um seine Arbeit fortzusetzen. Und plötzlich flogen seine Finger über die Tasten, das Geschriebene nahm Gestalt an und mühelos konnte er alle seine Gedanken zu Papier bringen.
Sein Inneres war plötzlich reich und weit, aufnahmefähig, verständnisvoll und ausdrucksstark.
Er wußte nicht, wie lange er  wie in Trance geschrieben hatte, als er aufhorchte.
Die Nacht war schon fortgeschritten und der Mond stand klar und deutlich am Himmel.
Da waren sie wieder, diese Geräusche, dieses Wispern, diese heimlichen Bewegungen auf der Terrasse. Er stand auf und ging hinaus.
Sie  umfingen  ihn wieder, diese Schleier, diese Gestalten, diese Berührungen, wie eine Brise des Windes. Er reihte sich ein in ihren Kreis, fühlte sich leicht und unbeschwert.
Befand er sich gerade eben auf einem der anderen Dächer? Oder flog er dem Mond entgegen?
War er schwerelos?
All diese Fragen schwirrten durch seinen Kopf und er ließ sich vom Licht des Mondes und  seinen Gefühlen und Empfindungen hinauftragen in den dunklen Himmel.

Am Morgen fand er sich, wieder liegend auf der Terrasse, völlig ermattet aber glücklich.
Sollte dies nun seine Bestimmung sein, zwischen Traum und Wirklichkeit, Tag und Nacht,  in aller Ewigkeit die Welten zu wechseln?




AUSZUG AUS DEM E-BOOK

"SIE SIND UNTER UNS"
von JOANA ANGELIDES

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