Donnerstag, 11. Februar 2016

Die Frau vom Riff, unheimlich



Die Frau vom Riff.
von Joana Angelides


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Vom Boot aus gesehen, lag das Haus hoch oben am Fels, einem Adlerhorst gleich. Man konnte meinen, es balancierte auf der Spitze des Felsens und der kleinste Windstoß könnte es herabwehen.

Weiter draußen, in Richtung  offenes Meer, schlugen die Wellen ans Riff und weiße Gischt schäumte auf. Es war wie eine Barriere,  davor würde  sein kleines  Boot erbarmungslos daran zerschellen.

Er saß im Boot und blickte schon eine ganze Weile nach oben. Sina, die Labradorhündin saß dort am Rande der ins Meer ragenden Terrasse und beobachtete ihn. Immer, wenn er die Hand hob, stand sie auf und er konnte sehen, wie sie den Schwanz hin und her bewegte. Sina hasste Salzwasser und blieb daher, wenn er mit dem Boot hinausfuhr immer an Land,
Das Ruder tauchte in das klare Wasser ein und erzeugte ein sanftes Kräuseln der Wellen. Er ließ sich treiben, wie jeden Tag um diese Zeit zwischen Tageslicht und Dämmerung.

Er nahm sich vor, das in Arbeit befindliche Bild morgen endlich fertig zu stellen. Eigentlich war es ja schon seit Tagen fertig, doch es gab immer wieder jenen und diesen Pinselstrich um es zu vervollkommnen.
Doch konnte er das nur in den Vormittagstunden, wenn  die Sonne schräg am Himmel stand und das Licht  hell und fluoreszierend war.

Sein Blick tauchte  gedankenverloren in die sanft an die Planken des Bootes schlagenden Wellen, bis auf den Meeresboden zu den Spuren im Sand, die die kleinen Krebse auf ihren Wanderungen  dort  hinterließen.

Da war  plötzlich das Gesicht dieses Mädchens wieder. Es lag an der Wasseroberfläche, als wäre sie ein Spiegel. Es war ein schönes, ebenmäßiges Gesicht.
Ganz am Anfang, als es ihm nur hin und wieder erschien, drehte er sich im Glauben, sie stünde hinter ihm, um. Doch dem war nicht so.

Das blonde Haar wurde von den Wellen auf und ab bewegt und umschloss ihr Gesicht wie ein Bilderrahmen. Die Augen waren halb geöffnet und sahen ihn fragend an. Ihre Lippen öffneten  sich, als wollten sie ihm etwas sagen, das er  nicht verstehen konnte.

Er vermied immer das Ruder zu bewegen um das Bild nicht zu zerstören. Sie schien seinen Blick festzuhalten und ehe er es sich versah, war er des Öfteren schon viel zu weit hinaus getrieben worden. Um wieder zurück zu kehren, musste er dann doch das Ruder mit voller Kraft einsetzen und das Boot wenden. Das Bildnis war dann jedes Mal  verschwunden.

Er redete sich dann  ein, dass es nur  Einbildung war und versuchte das Geschehen zu verdrängen.

Doch dieses Gesicht drängte sich sogar in seine Träume. Es lockte ihn aufs Meer hinaus und er folgte ihm willenlos und fand sich in manchen Nächten tief unten am  Meeresboden, von sich bewegenden Schlingpflanzen umgeben, kämpfend mit Blätterranken, die ihn festzuhalten schienen. Er konnte sich nur unter allergrößter Anstrengung freimachen. Es gab da Muränen, die aus dunklen Höhlen der Felsen hervor schossen, die kleinen runden Augen gefährlich auf ihn gerichtet und das Maul mit den starken Zähnen zum Biss weit geöffnet.  Und immer war das Gesicht vor ihm, das ihn lautlos lockte und rief.

Er ruderte zurück, vertäute das Boot am Steg und ging langsam, immer wieder nach rückwärts aufs Meer hinaus blickend, zu dem Haus hinauf. Sina kam ihm auf halbem Wege entgegen und zusammen gingen sie ins Haus.

Die Nacht kam fast unvermittelt, die Sonne versank blutrot in den Fluten und die Dunkelheit hüllte ihn nun ein. Die Lampe rückwärts im Raum spendete gedämpftes fast orangefarbenes Licht und die Schatten der Möbel im Raum tanzten im Licht des flackernden  Feuers im Kamin. Er versank in dem tiefen Lehnsessel davor, streckte sein Beine aus und führte das Glas an den Mund. Der  Duft  des alten Kognaks stieg ihm in die Nase und seine Hand versank im Fell von Sina, der neben ihm liegenden, zufrieden knurrenden  Labradorhündin.

Das flackernde Feuer fesselte seinen Blick und die züngelnden Flammen erinnerten ihn wieder an das im Wasser schwebende helle Haar rund um das Mädchenbildnis.
In dieser Nacht ließ ihn der Gedanke daran nicht mehr los und bereits am frühen Morgen stand er auf seiner Terrasse und begann  mit einigen flüchtigen Pinselstrichen dieses Mädchengesicht aus dem Gedächtnis zu skizzieren. Vergessen war der Vorsatz, das andere Bild fertig zustellen, die letzten Pinselstrichen zu machen. Es lehnte vergessen an der Wand.

Zwischendurch schloss er immer wieder seine Augen, um sich das Bildnis in Erinnerung zu rufen und versuchte es dann auf die Leinwand zu bringen. Er arbeitete wie besessen und vergaß darüber Zeit und Raum völlig.

Erst Sina erinnerte ihn daran, dass es Zeit war etwas zu essen. Lustlos bereitete er für sich und Sina einen kleinen Imbiss zu und setzte sich dann gegenüber der Staffel, um die Zeichnung prüfend anzusehen.
Sina schien nicht zu gefallen was sie sah, sie knurrte leise.

Auch er war mit dem halbfertigen Bild, eigentlich mehr eine Skizze,  unzufrieden. Die Zeichnung wirkte flach und unwirklich, es fehlte ihr jenes gewisse Flair, welches das Bildnis im Wasser hatte. Es fehlte ihm an Leben. Die Augen waren seelenlos, der Mund formte keine Laute.

Er musste wieder hinaus, er musste versuchen, das Bildnis wieder zu finden, schwebend an der Oberfläche der Wellen. Musste in ihre Augen tauchen, hören was sie ihm zu sagen hatte.

Die Ruder tauchten regelmäßig und kraftvoll in das klare Wasser und seine Blicke streiften suchend über die Oberfläche. Die Sonne lag über dem Wasser und schickte Sonnenkringel in die Tiefe.
Einige Meter vor ihm sah er dann plötzlich die goldene Mähne des Mädchens auf und abtauchen. Er versuchte ihr näher zu kommen, ruderte schneller und angestrengter. Doch der Abstand verringerte sich in keiner Weise.

Die Hündin Sina, hoch oben auf der Terrasse  hatte sich aufgerichtet und ihr Blick erfasste das Boot, welches sich immer weiter entfernte. Sie lief nervös hin und her und versucht durch Bellen auf sich aufmerksam zu machen.

Er ruderte noch immer hinter seinem Traum her, versuchte die Worte zu verstehen, die sie flüsterte, doch er kam ihr niemals nahe genug.

Ihre goldenen Haare schienen sich im Ruder zu verfangen, ihr Gesicht tauchte weg und kam auf der anderen Seite des Bootes herauf. Ihre Augen blickten ihn groß und fragend an.

Er hatte längst jedes Maß verloren, entfernte sich immer mehr vom Land und das Haus am Felsen wurde immer kleiner, doch er beachtete es kaum. Er wollte ihr Gesicht aus der Nähe sehen, hören was sie sagte.

Und wenn er selbst hinabtauchen würde, mit ihr  gemeinsam ein Stück schwimmen würde?

Er zog die Ruder ein und legte sie neben sich, richtete sich auf um über den Rand zu springen, hinenzutauchen in die aufgewühlten Fluten

Er bemerkte nicht die gefährliche Nähe des Riffs, merkte nicht die tödliche Gefahr.

Sina war längsseits aufgetaucht, sie hatte ihre Abscheu dem Wasser gegenüber überwunden, schwamm um ihr und um sein Leben. Sie bellte laut und fordernd.

Doch er konnte sie nicht mehr hören. Er war hineingetaucht in die Wellen, das Boot rammte krachend den Felsen, eine der Planken traf seinen Kopf, seinen Körper, die Brandung verschluckte ihn und trieb ihn zwischen den  Felsen in das offene Meer. Das  Sonnenlicht legte goldene Lichter über die Schaumkronen, sie tanzten wie eine goldene Mähne hin und her.

Möwen zogen ihre Kreise und ihr lautes Schreien vermischte  sich mit den Geräuschen rundherum.

Sina hatte sich auf einen der Felsen gerettet, schüttelte ihr Fell und warf traurige, verzweifelte Blicke hinaus auf das Meer. Sie war zu spät gekommen.

Sie wurde am nächsten Morgen von Fischern mitgenommen, die vorbeifuhren. Sie sahen die zerschellten Reste des Bootes und nickten wissend.

„Wahrscheinlich hat ihn die Frau aus dem Riff geholt! Sie hat wieder ein Opfer gefunden!“



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Schuldgefühle, unheimlich



Schuldgefühle
von Joana Angelides

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Die Dunkelheit macht den Raum unheimlich und tief. Der so genannte „Rittersaal“ des alten Schlosses ist  bei Tage ungemütlich und strahlte immer schon eine gewisse Kälte aus. Sind es die Steinmauern, die auch durch die alten Gobelins nicht heimeliger werden, oder ist es der unheimliche Kamin, der schwarz und geheimnisvoll in der Mitte der großen Wand in den Raum starrt. Er wirkt wie eine Höhle und erweckte den Eindruck eines offenen Einganges in die Unterwelt.

Der alte Hausdiener geht langsam, den rechten Fuß hinter sich nachziehend, quer durch den Vor dem Kamin angekommen, stockt er einen Augenblick und macht dann einen kleinen Bogen, um  diesem  auszuweichen.

Wenn er in dunklen Nächten schlaflos und einsam  diesen Raum betrat, glaubt er manchmal schon gesehen zu haben, wie hohe schlanke Gestalten plötzlich darin verschwinden.
In Gedanken daran zuckte er mit der Schulter und seine beiden Mundwinkel ziehen sich nach unten. Früher  erzählte er manchmal davon, man glaubte ihm jedoch nicht und er behielt es in der Folge bei sich.

„Gnädiger Herr, ich habe  wieder die  Frauengestalten gesehen!“ Berichtete er einige Male dem Baron.

„Hirngespinste“, sagte der alte Baron  jedes Mal und versank immer  in einem der tiefen Lehnsessel.

Doch er wusste es besser, er kehrte ja an den betreffenden  Morgen danach immer die Asche und den Ruß vor dem Kamin weg!

Auch heute wieder sieht er vor dem Kamin Reste von Ruß und da liegt auch ein kleines weißes Spitzentuch gleich neben dem Kamin, halb verdeckt durch eines der Holzscheite.

„Warst du wieder da?“  Er sagt es laut in den Raum hinein, bekommt jedoch keine Antwort.
Der Baron schreckt aus seiner Lethargie einen Moment auf und blickt ihn missbilligend an.


Mit einem scheuen Blick auf den Baron geht er dann doch zögernd auf den Kamin zu, bückte sich, hebt das weiße Spitzentuch mit einer schnellen Bewegung auf, riecht daran und lässt es unter seinem Hemd verschwinden.
Der Baron beobachtet ihn kopfschüttelnd. Dann geht er langsam weiter zu dem großen Fenster mit den schweren dunklen Vorhängen, öffnete es um ein wenig Sonnenlicht in den Raum zu lassen.

Das Licht kann nicht wirklich eindringen und erhellt die Tiefe des Raumes nur spärlich und es ist ihm, als würde auch er wieder flüsternde Stimmen hören, doch es ist scheinbar niemand hier.

Vor vielen Jahren, es scheint  hundert Jahre her zu sein, da war noch Leben in diesen Gemäuern. Es wurden Feste gefeiert, Musik ertönte und die Schlange der Fahrzeuge der Gäste  schien nicht enden zu wollen.

Der Alte bleibt einen Moment mitten im Raum stehen und machte eine kleine Drehung, so als würde er sich zur Musik wiegen und schließt die Augen.

Die Vergangenheit kehrt zurück. es ist wie wenn  Nebel im Raum aufsteigen würde und der Saal im alten Licht erglänzen würde, rundherum tanzen und lachen Menschen.

In einem der Nebenräume hält er in seinen Armen jene junge Frau, die  sein ganzes Glück ist! Leicht wie eine Feder, mit strahlenden Augen und einem alles versprechenden Mund. Sie ist Dienstbote wie er, doch etwas ganz besonderes. Sie sind glücklich und voller Pläne.

In dieser Nacht nimmt sie der Baron mit in sein Zimmer, einfach so, nur so aus Laune.

An den beiden nachfolgenden Tagen hackt er Holz für die Scheune, stundenlang und verbissen  und der Hass steigert sich mit jedem Scheit, das zu Boden fällt.

Nach einigen Wochen setzt sie die Baronin vor die Türe, ihre Habseligkeiten waren  über der Treppe verstreut und die große schwere Eichentüre schloss sich mit einem dumpfen Geräusch.

Er steht am Treppenabsatz und starrte die Baronin vorwurfsvoll an

 „Schau mich nicht so an, sie ist selber Schuld. Das musst du einfach einsehen!“

Doch er antwortet ihr nicht und wendet  sich ab.
Es sah aus, als wollte sie seine Zustimmung, sein Verzeihen. Er dreht sich um und geht wortlos die Treppe hinunter hin zu den Räumen der Bediensteten.

Das Mädchen kauert draußen weinend am Ende der Treppe die zum Eichentor des Schlosses führt und rafft ihre Habseligkeiten zusammen.
Er steht drinnen,  rechts von der Treppe am Fenster seines Zimmers hinter den zugezogenen Gardinen und schaut mit brennenden Augen hinaus.

Ihre Blicke sind  flehentlich auf dieses Fenster gerichtet. Vielleicht sollte er hinausgehen und sie in die Arme nehmen? Er kann es nicht und wand sich ab.

Am Abend war sie verschwunden. Man weiß nicht wohin. Es wird gemunkelt, sie hause im Walde hinter dem Schloss. Doch er vermeidet es bewusst nach ihr zu suchen. Er ist viel zu tief verletzt.

„Sie hat sich über die Felsen gestürzt!“ Ruft jemand,  die Frauen bekreuzigen sich. Ihr Leichnam wird nie gefunden, die raue See hat ihn wahrscheinlich weggespült.


Er glaubt jedoch, sie in manchen Vollmondnächten am Waldrand stehen zu sehen. Er glaubt auch, sie manchmal in den Kellergewölben in Nischen verschwinden zu sehen, doch er tut es als Täuschung ab.

„Kann nicht sein, muss eine Täuschung sein! Sie ist doch tot“, sagt jedes Mal der Baron und geht zur Tagesordnung über.

Wenn er hin und wieder  vom Weinkeller kommend um die Ecke biegt sieht er sich einer, ihr gleichenden   Gestalt gegenüber, mit tief in den Höhlen liegenden Augen, mit fliegenden Haaren und einem schwarzen Umhang. Doch der Schreck lässt ihm die Lampe und den Wein aus der Hand gleiten. In der Dunkelheit verschwindet diese Gestalt im Nichts.

Immer wieder glaubt er solche Begegnungen zu haben, sie verfolgten ihn in den Schlaf, entwickelten sich zu Albträumen, lassen ihm Trugbilder von tanzenden Gestalten in der Dunkelheit sehen, flüsternde Stimmen hören und an manchem Morgen wacht er völlig erschöpft und sich krank fühlend, auf.

Er träumt von wilden Jagden durch den Wald, immer hinter irgendwelchen Schatten her, von wilden Tänzen rund um den Friedhof des Dorfes und immer wieder sieht er sie, ihren wunderbaren Körper  in dunkle Umhänge gehüllt, seine Schönheit nur erahnen lassend, mit fliegenden Haaren und tief in den Höhlen liegenden Augen, wie sie ihn  anstarren.

Einige Monate nach dem Verschwinden des Mädchens wird die Baronin krank. Er ist sich sicher, dass auch die Baronin diese seltsamen Erscheinungen hat und sich auch die Schuld am Tod des Mädchens gab.
Sie wird immer blässer, schleicht nächtens durch das Schloss und nimmt fast keine Nahrung zu sich, bis sie eines Tages stirbt, wie eine Kerze erlischt.

In der Nacht ihres Todes heulen die Hunde im Hofe jämmerlich und es sind undefinierbare Geräusche zu hören, dunkle, unbekannte Gestalten in den Gängen. Ein starkes, tobendes Unwetter fegt über das Schloss.

Man munkelt, der Sarg der Baronin sei leer, sie sei in das Reich der Untoten gegangen und manchmal glaubt  man sie in dunklen Nächten sogar gemeinsam mit  unheimlichen Gestalten durch den Wald eilen zu sehen. Die Menschen im Dorf meiden den Wald zusehends, sogar die Forstarbeiter gehen nie mehr  alleine hinein. Und wenn, dann nur bei Tage.

Der Baron wird immer schweigsamer und zieht sich schlussendlich gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück.

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Nun zieht ein Gewitter auf und der alte Diener findet wieder in die Gegenwart zurück. Er beeilt sich, alle Fenster zu schließen.

Das Taschentuch unter seinem Hemd beunruhigte ihn. Es brennt fast auf seiner Haut Er vermeint IHREN Geruch zu verspüren und nimmt sich vor, heute Nacht im Rittersaal zu wachen und der Wahrheit ins Auge zu schauen. Wenn sie tatsächlich in jenes Reich der Finsternis gegangen war, dann will er es jetzt wissen!
Inzwischen hat der Baron sich wieder erhoben und verlässt den Saal, nicht ohne vorher einen dumpfen, nachdenklichen Blick auf den Kamin zu werfen.

Der Hausdiener lässt sich in einem der großen schweren Lehnsessel gegenüber dem Kamin fallen und wartet, doch nichts rührt sich. Es sind nur die Blitze im Raum und der Donner des noch immer anhaltenden Gewitters ist zu hören.

Er ist eingeschlafen, als ihn ein leichter Luftzug und ein grelles Lachen aufschrecken lassen. Er spürt, dass er nicht mehr alleine im Raum ist. Hinter ihm und seitwärts bemerkt er einige in dunklen Umhängen gekleidete Gestalten die ihre Arme nach ihm ausstrecken. Er versucht noch tiefer in den Lehnsessel zu sinken.

Dann steht SIE plötzlich vor ihm!

Ihr Gesicht ist blass, ihre Augen liegen tief in den Höhlen, doch man kann ihre Schönheit noch immer sehen. Sie sieht noch immer so jung aus wie damals. Ihre Haut ist nun wie durchscheinender Alabaster, ihre schweren Wimpern bedecken die Augen halb und der blutrote, etwas geöffnete Mund lässt eine Reihe von weißen, kräftigen Zähnen sehen. Ihr Lächeln ist jedoch kalt und grausam.

„Hast du auf mich gewartet?“ Die Frage durchschneidet den Raum wie mit tausend Messern.
„Ich habe dich beobachtet, all diese Jahrzehnte, sah wie du alt und grau wurdest. Wie dein kaltes Herz noch kälter und dann zu Stein wurde. Ohne Mitleid hast du mich gehen lassen!

Heute bin ich gekommen, um dich zu holen. Du wirst Jahrhunderte als alter Mann leben, im Reich der Untoten. Du wirst mich nie berühren dürfen!“

Sie öffnet ihren Mantel und er konnte ihre schöne, weiche Gestalt, eingehüllt in fast durchsichtigem Gewande, sehen. Man konnte das Pulsieren ihres Atems oberhalb des Brustansatzes sehen, ihre Erregung erahnen.

Hinter ihr steht eine andere weibliche Gestalt, die ihn sehr an die verstorbene Baronin erinnert. Auch sie streckt ihre Arme nach ihm aus und lässt dieses grausame Lachen hören, dass er heute schon einmal vernommen hat.
Hinter den beiden Frauen sind andere bleiche, fast durchsichtige Gestalten zu sehen, die alle ihre Arme mit gespreizten Fingen nach ihm ausstrecken.

In Panik springt er auf und läuft seitlich an den beiden Frauen vorbei. Er läuft, soweit es die Behinderung des rechten Beines erlaubt, aus dem Saal hinaus in Richtung des großen Eichentores und reißt es auf. Er spürt mehr, als er es hört die Meute hinter sich und läuft, wie von Furien gehetzt zu den Klippen vor dem Schloss. Der Regen peitscht ihm ins Gesicht, er merkt es nicht.

Vor dem Abgrund bleibt er stehen und blickt zurück. Er sieht in ihren Gesichtern Gier und Hass.

Es wird ihm bewusst, sie  wollen sein Leben sein Blut, sie treiben ihn in den Tod.

Er hebt abwehrend die Hände und weicht zurück. Doch er steht bereits am Abgrund und verliert  nun den Halt. Sein Körper fällt nach rückwärts und stürzt die Klippen hinab.

Sein Schrei klingt nach Befreiung, ohne Angst.
Man findet seinen zerschellten Körper   am nächsten Morgen am Fuße der Klippen. Seine Hände liegen auf seiner Brust, ein kleines weißes Tuch fest umklammert.

Es ist dieselbe Stelle am Fels, an der sich auch das Mädchen angeblich damals hinab gestürzt hatte.

Nachdem sie ihn abtransportiert hatten, steht der alte Baron noch lange hoch oben auf den Klippen und blickt mit fast toten, leeren  Augen hinaus aufs Meer.

Er kann nicht verstehen, warum der alte Hausdiener mitten in der Nacht und trotz des Gewitters plötzlich und für mich völlig grundlos wie von Furien gehetzt losgerannt war.





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