WALPURGISNACHT
von Joana Angelides
Es ist einfach die dunkle Seite in mir, die mich
in finsterer Nacht hinaus eilen lässt suchend die Spur des Blutes und die
dahinjagenden Wolken am windgepeitschten Himmel.
Meine Nackenhaare stellen sich auf und meine
fliegende Haarmähne wird vom Wind in mein Gesicht gepeitscht.
Der volle Mond erhellt den Platz vor der
ehemaligen Richtstätte mit dem mittelalterlichen tiefen Brunnen und das ist
auch mein Ziel.
Wie gesagt, in diesen Nächten, wenn abgebrochene Zweige und Äste durch die Straßen gepeitscht werden, gibt es für uns kein Halten mehr. Wir sind wie Schwestern und Brüder, die vom gebieterischen Vater gerufen werden und alles liegen und stehen lassen und zu ihm eilen.
Wie gesagt, in diesen Nächten, wenn abgebrochene Zweige und Äste durch die Straßen gepeitscht werden, gibt es für uns kein Halten mehr. Wir sind wie Schwestern und Brüder, die vom gebieterischen Vater gerufen werden und alles liegen und stehen lassen und zu ihm eilen.
Ich sehe ihn schon von weitem; er schwebt über dem
Brunnenschacht, sein schwarzer, rot gefütterte Mantel flattert um seine hagere
Gestalt und seine erhobenen Hände winken uns zu. Nein, sie winken nicht, sie
ziehen uns zu sich heran, mit gierigen langen Fingern und seine Augen versenden
Blitze. Er versammelt seine Jünger um sich.
Es ist ein Heulen und Wehklagen in der Luft,
das sich mit dem Heulen der Wölfe und
Werwölfe aus dem nahen Wald. vermischt.
So geschieht es in jeder Walpurgisnacht. Die
Menschen in den Häusern haben ihre Fensterläden fest verschlossen, die kleinen
Kinder werden unter den Bettdecken begraben und es herrscht gespannte Stille.
Einmal hat es ein mutiger Pfarrer gewagt und
versucht die Kirchenglocken zu läuten, er wurde am nächsten Morgen erhängt am
Glockenseil gefunden und niemand konnte es sich erklären.
Die schwarzen Gestalten der Brüdern und Schwestern
gleiten durch die Gassen, Schatten gleich, auf der Suche nach verirrten Seelen
und frischem Blut. Auch ich gehörte einmal zu jenen, die vor Angst nicht mehr
atmen konnten, wenn diese am Haus vorbei huschten, ihre immer länger werdenden dunklen Finger und Umhänge unter den
Türspalten in die gute Stube hereindrangen und nach uns fassten.
Jedes Jahr gelang es immer wieder einige doch an
ihren Gewändern oder irgendwelchen Körperteilen zu fassen und sie dann, als
wären sie nur schwarzer Rauch, unter den Türen nach außen zu ziehen.
Sie wurden in einen wirbelnden Tanz verwickelt,
Zähne schlugen sich in ihre Hälse, saugten ihnen fast das ganze Blut aus den
Körpern und dann waren sie dem Heer der Untoten und Vampiren zugehörig.
Die Belohnung war ewiges Leben, immerwährende
Herrschaft über das Leben der anderen aber auch unendliche Gier nach frischem
Blut.
Wenn diese Nächte vorbei sind, sich der Horizont
heller zu färben beginnt und die Fledermäuse in den Mauerritzen verschwinden
und die Wölfe nur mehr in der Ferne heulen, dann landen wir wieder sanft am
Boden und gehen unserer geregelten Arbeit und dem Leben nach.
Doch wenn sich zwei dieser Wesen im normalen Leben
begegnen, dann öffnen sich ihre Nüstern,
sie holen tief Luft, ihre Augen verengen sich, die Iris wird zu einem schmalen
Spalt und heisere Töne kommen, kaum hörbar aus ihrer Kehle. Sie erkennen sich.
Ich irre durch die dunklen Gassen, drücke mich an
die Hauswände und horche in die schwarze Nacht. Und da sehe ich ihn! Er drückt
sich voller Angst in die Tornische neben dem Pfarrhof, versucht verzweifelt die
alte Holztüre aufzustoßen. Doch sie dürfte von innen verschlossen oder geblockt
sein.
Mit weit aufgerissenen Augen starrt er mir
entgegen, streckt seine Handflächen gegen mich aus und aus seinem geöffneten
Mund dringen nur leise Schreie heraus, die Stimme versagt ihm. Und da bin ich
schon bei ihm, meine dunklen, brennenden Augen versinken in den seinen. Sein
angespannter Körper wird plötzlich weich und seine Knie versagen ihm. Ich
schlinge meine festen Arme um ihn und ziehe ihn zu mir. Langsam senke ich meine
Lippen auf seinen Hals und meine Zähne gleiten wie von selbst durch die Haut in
seine Hauptschlagader.
In mir brauste unbändiges Verlangen, macht mich
schwindelig und wild.
Sein Blut schmeckt süß und warm, unglaubliches
Glücksgefühl durchstreift mich, ich trinke und trinke den Saft des Lebens und
spüre, wie es aus seinem Leib entweicht.
Plötzlich schlingt er seine Arme um mich, hält
sich verzweifelt an meinen Schultern fest und lässt es nun geschehen.
Zittern durchläuft seinen Körper, seine Augen
starren mich leer und ergeben an.
Er weiß, er gehört nun für immer zu uns.
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