DIE
GOTTESANBETERIN
Prolog: Es kommt gelegentlich vor, dass sie während oder nach
der Paarung das Männchen, oder den Partner, auffrisst.
YOKO TRÄGT NUR NUDE
Seit einigen Tagen hat mein Leben einen neuen Inhalt bekommen. In eines der
Appartements des Hochhauses mir gegenüber ist eine neue Mieterin eingezogen. Es
traf mich wie der berühmte Blitz, als ich am darauf folgenden Abend mein
Fernrohr wieder einmal die Fassaden der Häuser rund um mich abtastete und sie
bemerkte.
Seither macht es mich geradezu verrückt, dass sie in ihrer Wohnung, bei
voller Beleuchtung und hinaufgezogenen
Rollos offenbar ausnahmslos nackt herum läuft. Alles an ihr ist graziös,
anmutig und elegant. Sie trägt ihr schwarzes Haar sehr kurz zu einem Pagenkopf geschnitten, was ihren langen
biegsamen Nacken erst so richtig zur Geltung bringt. Ihre Augen brennen schwarz
wie Kohlenstücke in einem auffallend hell, fast weiß geschminktem Gesicht, und
ihr Mund leuchtet in einem kräftigen, dunklen Rot. Was man sogar bei dieser Entfernung
sehen kann. Sie bewegt sich betont
langsam, wie eingelernt. Sie wirkt wie eine, durch Schnüre bewegte
Marionette. Sie ist offenbar Asiatin, vielleicht Japanerin.
Die Einrichtung ihres Wohnzimmers ist äußerst spartanisch. Etwas, was
sofort auffällt ist die Rückwand. Dort steht ein ca. zwei Meter hohes, die
ganze Wand einnehmendes, schwach beleuchtetes Aquarium, mit vielen Fischen in
unterschiedlichsten Größen darin und
leicht sich hin und her bewegenden Pflanzen. Links davon lehnt eine
Leiter, die offensichtlich dazu dient,
die Fische zu Füttern
An der rechten Seitenwand steht ein schwarz lackierter Schrank, der
offenbar als Musikschrank und Fernsehmöbel fungiert. Oben darauf steht eine
schwarze Lampe mit goldenen Rändern, die den Raum nur sehr spärlich beleuchtet.
Ihr Schirm ist eckig und nach oben offen, sodass sich das meiste Licht an der
Decke verteilt. Daneben steht eine schwarze Stele, die irgendwie an einen
Phallus erinnert und eine Rot lackierte Schale steht daneben. In der Mitte des
Raumes findet sich, völlig alleine und
ohne ersichtliche Logik, eine ebenfalls schwarze, Bodenvase auf einer
geflochtenen Matte.
Sie schläft nackt, sie kocht nackt und sie lackiert ihre Zehennägel, auf
einem Stuhl sitzend, ein Bein auf dem Boden, das andere auf der Sitzfläche
aufgestützt, ebenfalls nackt. Ich kann ihr schwarzes, etwas krauses Delta zwischen den Beinen sehen, ich sehe ihre
dunklen Brustnippel, den dunklen Hof rundherum und wenn ich mein Fernrohr dementsprechend einstelle, sehe
ich sogar das kleine herzförmige Muttermal auf der Innenseite ihres linken
Schenkels, wenn sie ihre morgendlichen Turnübungen vor der geöffneten Terrassentüre
macht. Ob es echt ist, oder vielleicht ein Tatoo, kann ich aus dieser
Entfernung nicht erkennen.
Ihre Turnübungen unterliegen einem strengen Ritual und sind jeden Morgen
und jeden Abend immer die Gleichen. Sie tut das jedes Mal mit Hingabe und
offenbar zu Musik, dann sie dreht und wendet sich rhythmisch im Takt um die in
der Mitte des Raumes stehende schwarze Bodenvase. Sie macht mit ihren langen,
muskulösen Beinen kreisende Bewegungen drum herum, bückt sich nach vorne,
berührt mit einer Hand immer abwechselnd den gegenüberliegenden Fuß und man
kann sehen, wie sich die Brüste hin und herschieben. Sie macht eine Brücke über
der Vase nach Rückwärts, hebt abwechselnd immer ein anderes Bein und kreist mit
den Füßen in der Luft.
Dann macht sie eine Rolle am Boden, wobei sie ihre nicht enden wollenden
Beine abwechselnd hebt und senkt und sich dann verkehrt zum Fenster wieder
erhebt. Dabei berührt sie niemals die Vase, sie ist ihr Mittelpunkt. Sie
verlässt auch niemals die Matte, bewegt sich innerhalb ihres Umfanges. Ihr muskulöser Rücken zeigt jeden Muskel sowie die gerade,
aber biegsame Wirbelsäule die in ihrem nicht zu kleinen, aber doch sehr festen
Po übergeht. Oberhalb des Po´s hat sie deutlich erkennbar, ein Tatoo, eine Art Wunderblume
oder Arabeske, oder vielleicht einen Drachen.
Sie hebt immer wieder graziös beide Arme und schwingt sie hin und her. Der
verrückteste Moment ist der, wenn sie ihre Übungen seitenverkehrt wiederholt
und mir den Anblick dieser beiden Halbkugeln voll gewährt, ja sie mir geradezu
entgegen streckt und sich das Auge in ihrem dunklen Tunnel dazwischen verlieren
kann.
Diese schlanke, biegsame Gestalt erregt meinen Körper, meinen Geist, lässt
mein Blut durch die Adern rauschen und raubt mir für einige Sekunden das
Gleichgewicht und den Verstand.
Das Fernrohr ist meine einzige Verbindung zur Außenwelt, da ich meine
Wohnung, die gleichzeitig mein Zeichenatelier ist, niemals verlasse. Ich leide
seit meiner Kindheit an Agrophobie. Ich wurde zu Hause unterrichtet, hatte
niemals Freunde, keine Besuche außer
meinen Lehrer, einen sehr strengen, aber sehr klugen Mann. Er öffnete mir ein
wenig das Tor in die Welt da draußen, brachte Bilder mit, spielte mir Musik vor
und erzählte mir Neuigkeiten aus der für mich unerreichbaren Außenwelt. Trotz meiner Sehnsucht nach dieser
Welt, konnte mich niemand bewegen, das Haus zu verlassen. Irgendwann
entschieden meine Eltern, dass meine Ausbildung abgeschlossen war und das Tor
in die Welt fiel zu und blieb seither geschlossen.
Da ich kein eigenes Leben habe, nehme ich geheim am Leben anderer teil. Ich
beobachte die Menschen, selbst im Dunkeln sitzend, durch das Fernrohr, blicke
in ihre erleuchteten Wohnzimmer, Schlafzimmer und Büros. Ich weiß, wer wann
Besuch bekommt. Weiß, welche Sekretärinnen auf der Couch ihres Chefs landen,
wer wen küsst und welcher Mann seine Frau schlägt und wie oft es da und dort Sex gibt.
Immer wenn abends die Lichter in den einzelnen Fenstern angehen, stehe ich
an meinem Fernrohr und gleite von Fenster zu Fenster, von Etage zu Etage und
nehme mir einen Teil des Kuchens vom Leben anderer. Ich wurde sozusagen zu
deren Familienmitglied, ohne dass sie eine Ahnung davon hatten. Ich habe mir
sogar ein Zusatzgerät, ein Nachtsichtgerät, zusenden lassen, um auch in dunkle
Räume hineinspähen zu können. So kann ich sich drehende und bewegende Körper auch
im Dunkeln sehr gut sehen, kann sie in ihren intimsten Situationen beobachten
und mit ihnen leben, lieben und leiden.
Doch bei Yoko, so habe ich sie wegen ihres japanisch anmutenden Äußeren bei
mir genannt, ist es schlagartig zu einer Obsession geworden. Ich vernachlässige
durch sie die anderen, mein Fernrohr ist nur mehr auf ihre breite erleuchtete
Glasfront gerichtet. Es ist einer dieser neuen Bauten, die sehr breite Glasfronten
haben, die direkt auf Terrassen münden und man fast die gesamten Innenräume
einsehen kann. Wenn sie nicht da ist, tauchen meine Blicke in das Aquarium ein
und ich schwimme selbstvergessen mit den Fischen herum.
Zwischen uns liegt ein Park, sodass sie vermeint, kein Gegenüber zu haben.
In den letzten beiden Nächten hatten wir Vollmond, ihr Schlafzimmer war
hell erleuchtet und so konnte ich sie beim Schlafen beobachten. Ihre Laken und
Polster sind dunkel, Schwarz oder Anthrazit und ihr nackter sylphidenhafter fast
weißer Körper hebt sich darauf wunderbar
ab. Ich starrte in der ersten Nacht unentwegt hinüber und registrierte jede
ihrer Bewegungen. Nach Mitternacht
begann sie plötzlich unruhig zu werden, fuhr mit den Armen auf dem Laken
herum, wälzte sich hin und her, bis sie sich plötzlich aufrichtete. Sie saß
aufrecht im Bett, ihre Silhouette hob sich, für mich aufregend lasziv gegen die
dunklen Laken ab. Sie begann sich selbst
an den Brustspitzen zu reiben, sie zu kneten, ihre Brüste zu umfangen, ihren
Kopf in die Höhe zu heben, den Mund zu öffnen. Dann warf sie sich plötzlich
herum, kniete auf dem Bett, spreizte ein wenig die Beine und ihre rechte Hand
begann zwischen ihnen langsam hin und
her zu gleiten. Sie kniete in schräger Position
zu mir, präsentierte mir die wunderbaren weißen Halbkugeln ihres Po´s,
der Drachen bewegte sich oberhalb des Gesäßes und gab dem Ganzen einen fantasievollen
Anstrich. Durch das Fernrohr konnte ich sehen,
wie ihre Finger von vorne zwischen ihren Schenkel durchkamen und sie sich
offenbar selbst befriedigte. Dabei kamen diese langen Finger bis zu ihrer
dunklen Rosette, wo sie ein wenig eindrang. Sie machte dabei einen
Katzenbuckel, begann plötzlich unkontrolliert zu zittern, den Kopf wild nach
oben zu werfen und fiel dann seitwärts um. Sie erging sich offenbar in einem
Orgasmus, erlag ihm sichtlich. Sie strich noch eine Weile hin und her, ich
konnte meinen Blick in dieser ersten Nacht nicht von diesem Bild abwenden. Das
Mondlicht entschwand langsam und ihre hellen Konturen verschwammen langsam mit
der Dunkelheit. Dann schlief sie wieder ein.
Sie hinterließ mich in völliger Erregung und Spannung und ich warf mich
leise keuchend auf mein Bett bis auch für mich die Erlösung kam.
Seit drei Wochen wartet nun mein Verleger schon auf die Zeichnungen für die
nächste Serie und obwohl ich sie ihm für diese Woche versprochen habe, kann ich
mich nun einfach nicht mehr konzentrieren.
Wenn ich meinen Superheld Gorgon auf meinem Zeichenbrett zwischen den
stilisierten Hochhäusern herum schwingen
lasse, dann überlege ich seit zwei Tagen, hinter welchen der Fenster er
vielleicht ebenfalls eine nackte Yoko sehen könnte. Ich lasse ihn auf Terrassen
landen, sich durch die Luft erheben und durch Glasscheiben blicken.
Ich kann seit einigen Tagen nur arbeiten, wenn sie am Morgen die Wohnung verlässt, denn dann entschwindet sie meinem
Blickfeld in einen toten Winkel und ich kann
nicht sehen, ob sie vielleicht auch nackt das Haus verlässt, oder sich doch
bekleidet. Für einen Normalbürger ist es sicher normal, anzunehmen, dass sie außerhalb
ihrer Wohnung bekleidet ist, doch in meinen Wahnvorstellungen ist sie da
ebenfalls nackt. In meiner Fantasie gehe ich eng hinter ihr und beschütze sie. Ich
kann sie mir nicht in Kleidern vorstellen und sehe sie in der Menge, wie sie
nackt zwischen den Menschen herumgeht. Es merkt offenbar niemand außer mir.
Es wäre interessant zu wissen, welchen Kleidungsstil sie bevorzugt, ob sie
Kleider oder Hosen, leger oder figurbetont, vorzieht.
Doch eigentlich bin ich überzeugt, Yoko trägt nur Nude. Zumindest in meiner
Realität!
Wenn am späteren Nachmittag gegenüber das Licht angeht springe ich sofort
auf und es zieht mich unwiderstehlich zu
meinem Fernrohr. Dass ich dabei manches Mal das kleine Tuschfläschchen über
meine letzte Zeichnung gieße, bemerke ich erst später.
AUSZUG AUS DEM e-Book
"DIE GOTTESANBETERIN"
von XENIA PORTOS
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