Samstag, 12. November 2016

Regen im Wald, Erotik



Regen im Wald
von Joana Angelides
 
 Bildergebnis für frau im wald

Nun sitzt er schon tagelang hier fest. Es regnet in Strömen.
Das kleine Haus hier oben am Hang ist zwar gemütlich, doch stellten sich bisher trotz intensivem Bemühen nicht die Einfälle ein, die er sich erwartet hatte.

Eine Geschichte soll es sein, voller Romantik, Liebe und Happy End. So stellt es sich sein Verleger vor. Eine Geschichte aus der man dann auch ein Theaterstück machen kann.

Sein Blick versinkt in einer Nebelwand, sich bewegenden Schleiern und dunklen Schatten dahinter, die wohl von den Bäumen am Waldrand stammen dürften. Man kann das nicht genau bestimmen.
Durch die nun schon hereinbrechende Dämmerung scheinen sich die Schatten der Bäume und die von der Nässe schwer herunterhängenden Äste zu bewegen.

Da rinnt am Fenster so ein kleiner Regentropfen herab. Jetzt bleibt er stehen. Wahrscheinlich ist da eine kleine Unebenheit? Oder zögert er, weil es bisher so rasch ging?
Größere Tropfen fließen langsam die Scheibe hinab und vereinigen sich mit den anderen Tropfen, welche in unterschiedlichen Geschwindigkeiten nach unten streben.
Des Öfteren entscheiden sich der eine oder andere Tropfen dann doch in eine andere Richtung zu fließen und die Rinne, in der er bisher eingeschmolzen war, wieder zu verlassen. Manche hinterlassen eine Spur am Glas, die aber dann weiter oben wieder verblaßt und ganz verschwindet.

Er dreht sich um und geht wieder zum Kamin zurück. Hier im Raum ist es wohlig warm und die Holzscheite knistern. Mancher Funke springt heraus und landet auf dem Steinboden davor. 
Die Einsamkeit hier heroben wird immer lauter und greifbarer.
Er entschließt sich hinaus zu gehen, sich den Elementen zu stellen und sich ein wenig den frischen Wind um die Nase wehen zu lassen.
Er greift sich den groben Lodenumhang und den großen Filz-Schlapphut und öffnet die Türe.
Der Raum ist sofort erfüllt vom Rauschen des Wassers und ein frischer Wind belebt den Raum und läßt auch das Feuer aufflammen.

Er schließt die Türe sorgfältig und nimmt für alle Fälle den knorrigen Stock zur Hand, der immer neben der Türe lehnt. Er gehört dem alten Thomas, der sonst immer in der Hütte wohnt, aber derzeit am Berg mit Sicherungsarbeiten beschäftigt ist und ihm für eine Woche das Haus zur Verfügung stellt.

Er schätzt mit einem Blick ab, OB das Holz an der Seitenwand des Hauses noch für diese Woche reichen wird und geht dann langsam in die Richtung des Waldes davon.
Im dichten Wald, zwischen den Bäumen ist der Regen nicht so stark, er kann nicht so ungehindert durch die grüne Kuppel von Ästen, Zweigen und Blättern durchdringen. Der Wald verströmt den typischen Geruch nach nassem Holz, Moos und Kräutern.
Da, waren da nicht Gestalten vorbei gehuscht? Knackten da nicht kleine Äste und wisperten Blätter?
Er blieb stehen um die Geräusche des Waldes auf sich einwirken zu lassen und da erblickte er sie. Inmitten der kleinen Lichtung mit den beiden großen Steinen lag sie auf dem größeren Stein. Ihr Körper war nach rückwärts gebogen, ihre Arme zu beiden Seiten ausgestreckt und das lange blonde Haar auf dem Stein verteilt. Sie hatte die Augen geschlossen und ein seltsames Lächeln lag auf ihrem Mund. Ihr Gesicht war verklärt und es schien, als würde sie es genießen, wie der Regen auf ihren Körper hernieder prasselte. Die weiße dünne Bluse spannte über ihrem Oberkörper und lag an der Haut an. Sie erschien dadurch nackt und man konnte das Heben und Senken ihrer Brüste genau sehen. Die Brustspitzen hoben sich dunkel von der Haut ab. Sie atmete tief und gleichmäßig und schien versunken in eine andere Welt.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages konnte in die kleine Lichtung einfallen und verfingen sich in den einzelnen Regentropfen, die sich aus ihrem Haar lösen und manche Sekunde auch auf ihren Brustspitzen verweilen um dann abzurinnen und einem neuen Tropfen Platz zu machen.
Es schien, als würde sie von Diamanten eingerahmt daliegen und auf etwas warten.

Sie hat die Beine etwas gespreizt um einen guten Stand zu haben. Sie trägt einen langen, ebenfalls sehr dünnen Rock, der sich über die kleine Rundung ihres Bauches spannt und zwischen den Beiden ein wenig einfällt. Sie hat keine Schuhe an und ihrer Zehen graben sich in den weichen Boden unter ihr ein und bewegten sich ein wenig.

Sie liegt auf dem Stein, wie auf einem Altar und lässt sich vom Regen berühren, umfließen und liebkosen. Das Wasser scheint ihr nichts anhaben zu können, im Gegenteil, man sieht, dass sie es genießt. Es scheint, als würde sie den Regen als ihren Geliebten annehmen.

Er steht am Rande der Lichtung und hält den Atem an. Er hält den Atem an, aus Angst, dass irgendein Geräusch diese wundervolle Erscheinung zum Verschwinden bringen kann.


Der Regen fällt auf diese unwirklich scheinende Lichtgestalt und man merkt, dass ihr Atem immer schneller wird. Sie öffnet leicht den Mund und scheint etwas zu flüstern.
Er spürt eine unaufhaltsame Erregung in ihm aufsteigen, sie treibt ihn dazu, sich ihr langsam zu nähern. Je näher er kommt, desto anziehender und realer wird die Gestalt. Als er vor ihr steht, öffnete sie plötzlich die Augen und ihr Blick ist strahlender als er es sich vorgestellt hatte. Der Blick versinkt in der Tiefe seiner Empfindungen und läßt ihn nicht mehr los.

Sie richtet sich auf, streckt ihm die Arme entgegen, er ergreift sie und mit einem Ruck löst sie sich vom Stein und steht nun vor ihm. Die Spitzen ihrer Brüste berühren ihn. Ihre Augen sind noch immer in den seinen versunken, er hält ihre Arme fest, als wollte er verhindern, dass sie stürzt. Ihre biegsame Gestalt sinkt jedoch wieder nach rückwärts ohne ihn loszulassen. Er spürt, wie ihm langsam der Boden unter den Füßen entschwindet und findet erst wieder in ihren Armen liegend Halt.

Es erscheint ihm als würden sie sich beide schwebend über diesem Stein befinden, ihre strahlenden Augen sind weit geöffnet, ihren Mund verschließt er mit einem verschmelzenden Kuß. Es ist ihm, als würde er hinein tauchen in einen träge dahinfließenden Fluss. Es scheinen Stunden zu vergehen, der Regen scheint immer stärker zu werden, ein Gewitter entlädt sich mit Blitzen und Donner in der Ferne.

Doch der Traum scheint kein Ende zu nehmen. Er taucht ein in eine Welt von Gefühlen, Flüstern rundherum und in seinen Armen dieses sinnliche Geschöpf, aufgehend in Hingabe und abgehoben in jene andere Welt, die nur in einem süßen Tod enden kann.

Als der Regen plötzlich nachläßt und er wieder langsam in die Wirklichkeit zurückfindet, mit geschlossenen Augen zurücktaumelt, hört er ein helles Lachen und sieht nur mehr, wie das Mädchen mit wehendem Haar im Wald verschwindet.

Völlig durchnäßt und erschöpft erreicht er wieder sein kleines Haus.
Er wirft die total durchnäßten Kleider im Bad zu Boden und stellt sich unter die heiße, dampfende Dusche.
Ein unglaubliches Erlebnis! Unwirklich und märchenhaft. Vielleicht auch ein wenig verrückt? Wer war dieses Mädchen? Er hat sie noch nie gesehen.
War es Einbildung, durch den Nebel begünstigt, oder durch den geheimnisvollen, im Halbdunkel liegenden Wald?

Er beschloß, auf jeden Fall Thomas zu fragen, wenn er wieder zurückkam.

Eingehüllt in seinen Bademantel, mit einem Glas Whisky in der Hand setzt er sich an den Kamin und starrt in die Flammen.

In diesem Augenblick   wird heftig an die Türe geklopft.

Er öffnet die Türe und erstarrt. Sie steht vor ihm, genau dieses Mädchen, völlig durchnäßt, das lange blonde Haar hinten zusammengebunden, das Wasser rinnt in einem Bach an ihr herunter. Sie hat allerdings eine Jacke umgehängt und ihre Füße stecken in Schuhen.

„Ja? Oh. sie sind ja ganz nass, kommen sie rein!“ Er murmelt es mehr, als er es sagt.

„Danke, ich habe eine Autopanne, bin im Morast am Ende des Hügels versunken. Ich irre schon eine Weile in der Gegen herum und habe ihr Haus erst jetzt gefunden. Darf ich bei Ihnen telefonieren?“
Ihre großen blauen Augen blicken ihn bittend an.

Sie hatte so ein kleines süßes Lächeln im Gesicht, sein Herz klopft ihm bis zum Hals.
Das konnte doch unmöglich das Mädchen aus dem Wald sein? Um ihn herum dreht sich alles. Er verstand gar nichts mehr.
Sie steht nun im Raum und unter ihren Füßen bildet sich langsam aber sicher ein kleiner See.

„Also vorerst werden wir was Trockenes für sie suchen, dann gehen sie ins Bad, duschen heiß und ich werde ihnen einen Tee machen und dann werden wir telefonieren!“

Vielleicht wird es doch was mit der romantischen Geschichte?



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