Sonntag, 10. April 2016

Der Panther



Der Panther

von Joana Angelides

Bildergebnis für panther
Endlich waren die Fensterputzer da. Die Außenfassade, ganz aus Glas, konnte die Sonnenstrahlen schon gar nicht mehr widerspiegeln. Was einen ja nicht stört, wenn man drinnen sitzt. Aber das Image der Firma soll darunter leiden. Naja, schaut ja sowieso keiner mehr die hohe Fassade  hinauf, eilen  alle nur geschäftig vorbei. Aber Ordnung muss sein.
Sie sitzt konzentriert vor dem Computer und studiert die aufgerufene Statistik.
Was ist das?
Vor dem geschlossenen Fenster bewegt sich ein schwarzer Panther. Es ist der Fensterputzer. Durch das dünne T-Shirt sichtbar, bewegen sich seine Muskeln mit kraftvollem Zucken, seine langen Arme holen nach rechts oben aus, der Oberkörper streckt sich und es scheint, der Panther  ist mit der Scheibe verhaftet und bewegt sich mühelos auf dieser entlang. Mit weit ausholenden, kraftvollen Bewegung führt er den Schieber über das Glas und zieht ihn  wieder zurück. Durch das nasse T-Shirt zeichnen sich seine Muskeln ab.  Rein anatomisch betrachtet, makellos!
Sie hält inne und  schaut ihm fasziniert zu.  Natürlich nur aus reinem Interesse daran, wie es möglich ist, dass ein Mann so verhaftet sein kann mit einer  Glasscheibe. Seine Muskel  entspannen sich und er bückt sich, scheinbar um den Fensterschieber  abzuwischen. Nur aus reinem Interesse natürlich, ob der Jeans-Stoff   die entstehende Spannung  auf der Rückseite  auch aushält, richtete sie sich etwas auf  um besser sehen zu können und dummer Weise warf sie die auf der Tischkante stehende Tasse Kaffe zu Boden.
Das Klirren holte sie in die Wirklichkeit zurück.
Ist ja lächerlich, warum sollte sie sich dafür interessieren, wie ein Fensterputzer arbeitet? Aber man könnte ja Bewegungsstudien machen, außerdem sieht es ja keiner.
Sie nähert sich langsam der Scheibe und steht nun genau vor ihm. Sie kann ihn sehen, er kann durch die getönten Spiegelgläser  jedoch nicht herein blicken.
Ist schon faszinierend, so nahe an einem Raubtier zu stehen, ohne dass es das  merkt.
Nun wendet er sich der anderen Seite der Scheibe zu und dehnt und streckt sich nun nach links oben. Das T-Shirt  ist etwas zu kurz, wie alle diese billigen Dinger und rutscht aus dem Hosenbund heraus. Sie macht einen Schritt zurück. Man will ja schließlich nicht indiskret sein. Der Gürtel der Hose sitzt sehr locker und der Nabel wird unter dem Rand des T-Shirts sichtbar, um dann gleich wieder, aufgrund der Gegenbewegung des muskulösen Oberkörpers, von diesem T-Shirt verdeckt zu werden. Hat scheinbar keinen Slip an, dieser Panther da vor der Scheibe. Aber ist ja schließlich nicht von so großem Interesse. Aber, hat er nun  oder hat er nicht? Obwohl.......... naja.
Es wurde inzwischen zwölf Uhr. Fast gleichzeitig schauen sie beide, die Sekretärin und der Panther,  auf die Uhr auf ihren Handgelenken. Er dürfte sich für eine Pause entschlossen haben und beginnt sich abzuseilen. Dieser aufreizende, geschmeidige Körper bewegt sich nach unten bis nur mehr sein Kopf zu sehen ist und dieser auch gleich verschwunden sein wird.

Hastig beendet die Sekretärin ihre Sitzung vor dem Bildschirm, schnappt ihre Handtasche und beeilt sich um  zum Lift zu kommen. Heute wird sie nicht erst um dreizehn Uhr essen gehen. Man muss ja nicht immer das Selbe tun! Nicht etwa, um gleichzeitig mit dem Panther im Speisesaal zu sein, sondern um noch vorher bei der Poststelle vorbeizuschauen, natürlich nur, wenn es sich ausgeht.
Sie betritt den Speisesaal und unwillkürlich gleiten ihre Augen über die verschiedenen Tische, wo sollte sie sich nur hinsetzen? Ah; dort ist noch ein Platz frei. Wie zufällig am Tisch des Panthers! Sie nennt ihn nur mehr Panther, schließlich kennt sie ja seinen Namen nicht! Noch nicht! Sie steuert mit ihrem Tablett auf den Tisch zu, wird jedoch von einem jungen Mann sanft auf die Seite geschoben.
Der junge Mann setzt sich neben "ihren" Panther und wird erfreut und erstaunlicher Weise  sehr vertraut begrüßt. Sie berühren sich mit den Fingerspitzen und lächeln sich zu. Sehr seltsam, wie sie sich ansehen und wie sich ihre Augen ineinander versenken.
Irgendwie irritiert dreht sie sich um, und hört gerade noch, dass  sich die Beiden für abends im „Guy“ verabreden. Ist das nicht...?
Also, die Fensterputzer sind auch nicht mehr das, was sie sein sollten. Außerdem hat sie sich „das“ gleich gedacht!
Sie sucht sich einen  Platz an einem anderen Tisch und setzt sich mit dem Rücken zu den Beiden nieder und verzehrt völlig lustlos ihren Imbiss. 


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