DIE WITWE
von Joana Angelides
Es
war einer jener heißen Sonntage, an denen sogar die Fliegen träge waren.
Der
Dorfplatz lag in der prallen Mittagsonne. Das Kaffenion, im Schatten einer
riesigen Platane gelegen, war gut besucht; es saßen jedoch ausschließlich Männer jeder Altersklasse darin. Die Frauen
waren zu Hause, wie es sich eben in südlichen Ländern so gehört.
Die
Männer debattierten über das Wetter, die Politik und die Agrarpreise.
Der
Pfarrer verließ soeben die Kirche, überquerte den Platz und gesellte sich zu ihnen.
Mit einer flüchtigen Handbewegung nach hinten in das Innere des Kaffees machte
er seine Bestellung. Es war immer das Selbe, daher bedurfte es keiner Worte.
Plötzlich
verstummte jegliche Unterhalten und alle Blicke richteten sich auf die gegenüber
liegende Seite des Platzes.
Sie
stand da, groß und hoch aufgerichtet, den Kopf erhoben, im Arm einen Korb. Sie
war völlig in Schwarz gekleidet.
Die
Wickelbluse spannte sich über ihren prallen Oberkörper und ließ die Brüste hervortreten und betonte gleichzeitig die
schlanke Taille.
Der
Rock war nach unten ausschwingend und bedeckte ihre Waden zur Hälfte. Die
schlanken Fesseln steckten in hochhackigen Schuhen und betonten die langen
Beine, die in leicht ausladenden Hüften
mündeten.
Obwohl
ihre Kleidung züchtig geschlossen und schwarz war, stellte sie die Sünde in
Reinkultur dar.
Sie
war eine Witwe, wie man bisher noch keine im Ort gehabt hatte. Sie war jung und
schön und strahlte eine subtile Erotik aus, die sie als Frau des Hühnerzüchters früher niemals
hatte.
Das
ebenso schwarze Kopftuch, nach hinten in einen Knoten gebunden, betonte ihr
blasses, schönes Gesicht. Der sinnliche Mund war wie im Trotz aufgeworfen und
das Kinn etwas nach vorne geschoben.
Ihre
großen Augen waren voll auf die Männer vor ihr gerichtet, sie hatten einen
spöttischen Glanz. Sie kannte ihre Wirkung und es bereitete ihr großes Vergnügen, dass die Männer sie so
anstarrten.
Quälend
langsam kam sie näher.
Einige
der Männer fuhren sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, wieder
andere führten einen Finger zum Mund und starrten sie an. Keiner konnte sich
ihrer Wirkung entziehen. Das Geräusch des surrenden Ventilators dröhnte in die
Stille.
Sie
blickte in die Runde und überlegte, welcher von den Männern es wohl ist.
Wer
kam in manchen dunklen Nächten in ihr Haus, schlich die Treppe zu ihrem
Schlafzimmer hinauf und schlüpfte unter ihre Decke? Welche Hand legte sich auf ihren Mund und
welche Hand verhinderte es, dass sie
Licht machte?
Sie
hatte längst aufgegeben, es erfahren zu wollen.
Sie
ertappte sich dabei, wie sie in manchen Nächten darauf wartete und hatte ihr anfängliches Sträuben längst aufgegeben. Der Griff nach dem Schalter
der Lampe war mehr eine Geste, als wirkliche Absicht.
Sie
liebten sich, stumm, ohne Worte. Es war Leidenschaft pur! Er erforschte ihre
intimsten Wünsche, drang in Gefühlswelten vor, die sie vorher nicht gekannt
hatte und entfachte eine Leidenschaft in ihr, die brennender nicht sein konnte.
Sie
konnte sich nicht mehr erinnern, wie es früher war, als ihr Mann noch lebte, es
war wie ausgelöscht.
Er
sprach nie auch nur ein Wort. Er bedeckte ihren Körper mit Küssen und seine
Hände ließen ihr den Himmel auf Erden erahnen. Wenn er in sie eindrang, geriet
sie völlig außer Kontrolle und ihr Seufzen und leises Stöhnen waren die
einzigen Laute, die man vernehmen konnte
Er
trug sie von einem Höhepunkt zum Nächsten und es schien ihr, als würde sie nie
wieder auf die Erde zurückfinden.
Bevor
der Tag graute verließ er sie ebenso stumm und unvermittelt, wie er gekommen
war.
„Ich
bringe die Eier!“
Ihre
Stimme zerriss die Stille und der Bann war gebrochen. Wie ertappt wendeten sich
die Männer wieder ihren Gesprächen und
ihren Getränken zu und das Räuspern des Pfarrers war über den ganzen Platz zu
hören.
Der
Wirt nahm ihr den Korb ab, ohne die Eier zu überprüfen oder zu zählen und
drückte ihr das Geld in die Hand. Sie steckte es ein, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.
Sie
machte noch einen Blick in die Runde, verweilte auf diesem und jenem muskulösem
Oberkörper, überlegte noch einmal, welcher von ihnen es wohl sein konnte,
drehte sich um und ging wieder quer über den Platz zurück
Und
wieder folgten ihr hungrige Blicke, blieben an ihren wiegenden Hüften, oder an
der Verlängerung des Rücken hängen. Das Surren des Ventilators war wieder für
Sekunden das einzige Geräusch.
Sie
spürte einen der Blicke in ihrem Rücken, der sich einbrannte und ihr angenehmen
Schauer verursachten, doch sie drehte sich nicht um.
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