Mittwoch, 17. Dezember 2014

SCHWARZE BLUMEN, vampirig



Schwarze Blumen

von Joana Angelides



Seit einigen Tagen stand er abends immer auf der anderen Straßenseite und schaute zu ihr hinüber.

Sie besaß einen Blumenstand an der Ecke beim Krankenhaus, den sie immer erst nachmittags aufmachte, weil da die Besucher an ihr vorbei strömten und viele einen kleinen Blumengruß mitnahmen.

Seit einigen Tagen, immer wenn es dunkel wurde, sah sie ihn vom Ende der Straße langsam herbeischlendern.

Er hatte noch nie Blumen bei ihr gekauft, das würde auch so gar nicht zu ihm passen, stellte sie für sich fest. Er war groß und hager, hatte einen schwarzen Hut tief ins Gesicht gezogen und einen langen schwarzen Mantel an. Er lehnte sich an die Straßenlaterne und zündete sich jedes Mal eine Zigarette an. Nach einer Weile und nach drei Zigaretten, die er immer mit dem linken Fuß am Boden auslöschte ging er einfach wieder.
 
Auch heute stand er wieder da und hielt eine Zigarette in der Hand. Welche war es nur? Die zweite oder die dritte?

Sie wurde von zwei Kunden abgelenkt, die Blumen für Patienten im Spital kauften und als sie wieder hinüber sah, war er weg.

Die Straßenbeleuchtung warf ein ringförmiges Licht auf den gegenüberliegenden Gehsteig, doch der war leer.


Er war wieder einfach gegangen. Doch sie spürte seinen Blick aus diesen dunklen, traurigen Augen, die ein geheimnisvolles Feuer zu haben schienen, noch immer.

Es war heute schon spät, es wird sicher kein Besucher mehr für das Krankenhaus kommen.
Sie begann nun den Stand abzubauen und die Blumen auf die Ladefläche des kleinen Wagens zu legen. Da sah sie sie. Es war eine schwarze Rose, sie lag einfach da.

Sie nahm sie in die Hand und ein betörender, schwerer Geruch stieg empor.
Sie konnte sich gar nicht erinnern, dass sie auch schwarze Rosen mitgekauft hätte, hatte solche Rosen noch nie gesehen.

Sie fuhr nach Hause, sie war müde und es graute ihr vor der leeren Wohnung. Sie lebte alleine, hatte früher einmal einen Partner und eine Katze, doch die waren beide  irgendwann aus ihrem Leben verschwunden.

Sie fuhr den Wagen in die Garage und schloss das Garagentor von innen und wollte gerade zum Aufgang in das Stiegenhaus gehen als sie ihn sah. Er stand da, eine schwarze Blume in der Hand und lächelte. Er hatte den Hut abgenommen und sie konnte sein Gesicht sehen. Es war ein blasses, längliches Gesicht mit zwei dunklen brennenden Augen, tief in den Höhlen liegend. Sie wollte schreien.
Doch er verbeugte sich und trat auf sie zu.
 
„Bitte haben sie keine Angst, ich möchte ihnen nichts tun, ich will ein Freund sein. Wußte nicht, wie ich sie ansprechen soll, getraute mich einfach nicht“
Er streckte seine Hand vor und überreichte ihr die Blume. Es war die gleiche Blume, wie jene, die sie im Auto fand.

Eigentlich sollte sie ihn wegschicken, oder vielleicht um Hilfe rufen?

Doch wie er so da stand, mit der Blume in der Hand und ein kleines Lächeln auf den schmalen Lippen, kam er ihr so harmlos vor.

„Ich danke ihnen für die Blume, doch ich bin müde und möchte schlafen gehen. Wir könnten ja in den nächsten Tagen einmal darüber sprechen, oder auf einen Kaffee gehen, gegenüber von meinem Blumenstand ist ein nettes Kaffeehaus!?“ es war ein halbes Einverständnis mit einem Fragezeichen dahinter.

„Ja, gut, ich danke ihnen.“

Sie öffnete noch einmal das Tor der Garage und er ging langsam hinaus. Seltsam, sie konnte draußen seine Schritte gar nicht hören.
Als sie in ihrer kleinen Dachwohnung war, erschien ihr diese Begegnung unwirklich, fast wie ein Traum. Wie war er nur in die Garage gekommen, woher wußte er, wo sie wohnte? Sie schüttelte den Kopf und nahm sich vor, die Geschichte zu vergessen und auch nicht mit ihm ins Kaffeehaus zu gehen.
Sie lag dann noch eine Weile hellwach auf ihrem Bett. Es war sehr warm im Raum, sie stand auf und öffnete die Balkontüre einen Spalt und legte sich wieder hin und schlief dann doch ein.

Sie erwachte, denn irgendetwas lag neben ihr im Bett. Sie griff danach, es fühlte sich kühl und weich an. Sie setzte sich auf und machte Licht. Das ganze Bett war mit diesen schwarzen Blumen bedeckt, dazwischen grüne Blätter. Und beim Bettende stand ER.

Er hatte wieder dieses kleinen zaghafte Lächeln auf seinen schmalen Lippen und breitete seine Arme in ihre Richtung aus.

Ich träume, war ihr erster Gedanke. Doch es war alles so real!
Er kam um das Bett herum, setzte sich neben sie und löschte das Licht. Er nahm ihr beiden Hände in die seinen und küßte sie. Sie ließ es geschehen. Als er sie dann in seine Arme nahm, ihr wunderbare Worte zu flüsterte, sie umfing und sie seine Nähe spürte, war jeder Widerstand gebrochen, sie ließ sich fallen und gab sich diesem wunderbaren Gefühl hin. Sie glaubte über der Welt zu schweben, am Mond vorbei in silberne Wolken zu tauchen und auf schwarzen Pferden am Himmel zum Horizont zu reiten. Es war schön und schaurig zugleich.

Der plötzliche kleine Schmerz auf ihrem Hals wurde von ihr kaum bemerkt, er erschien ihr wie ein langer, süßer Kuss.

Er blieb bis zum Morgengrauen, zeigte ihr eine wunderbare Welt der Gefühle. So plötzlich wie er erschienen war, verschwand er wieder, nur der Vorhang bei der Balkontüre wehte in den Raum und verriet, wohin er gegangen war.
Sie verfiel in einen langen tiefen Schlaf und erwachte erst wieder gegen Mittag.

Ab nun baute sie ihren Blumenstand erst immer am Abend beim Krankenhaus auf, wenn die Dämmerung einsetzte und die Straßenlaternen brannten. Sie hatte sich ein wenig verändert. Sie war blässer als vorher, hatte immer einen leichten Schal vorne am Hals, der nach hinten herunter hing und bei leichten Windstößen ein wenig wehte.
Sie hatte auch immer schwarze Blumen in ihrem Repertoire, doch wurden die nicht sehr oft gekauft und welkten dann dahin.

Täglich konnte man den dunkel gekleideten Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite wartend stehen sehen, der ihr dann half den Stand abzubauen und der mit ihr nach Hause fuhr.
Die Menschen wunderten sich nur, dass die kleine Blumenfrau niemals zu altern schien, noch nach Jahren, wenn sie mancher wieder sah, sah sie gleich jung aus und hatte sich nicht verändert.

Sie schien auch sehr glücklich zu sein, sie hatte immer ein kleines Lächeln auf ihren Lippen, die gar nicht schmal waren, sondern voll und prall. Das Rot ihrer Lippen stach auffallend aus ihrem blassen Gesicht und auch ihre Augen hatten einen eigenartigen Glanz.


AUSZUG AUS DEM e-BOOK

"SIE SIND UNTER UNS"
von JOANA ANGELIDES

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