Es weihnachtet in der Redaktion
von Joana Angelides
Das alle Jahre
wiederkehrende Fest der Geburt des Jesus-Kindleins treibt die tollsten Blüten,
wird langsam unübersichtlich und viele vergessen den ursprünglichen Sinn des
Festes.
Jeder feiert es aber
auch anders.
Die einen ertränken
es in Alkohol, die anderen würden gerne auch die Schwiegermutter darin
ertränken. Doch die Gewissheit, dass sie sich dann länger hält, lässt sie noch
zögern.
Viele kaufen schon
Wochen vor dem Fest jene Dinge, die keiner wirklich braucht, die aber so schön
verpackt sind.
Andere wieder suchen
den Weihnachtsfrieden übers Reisebüro in exotischen Ländern, wo es garantiert
keine Christbäume und auch keine Glaskugeln zum Schmücken derselben geben. Aber
dafür Palmen und Temperaturen, die kaum erträglich sind. Auch gibt es keinen
gebackenen Karpfen oder Weihnachtsbraten am so genannten „Christtag“. Dafür
wilde Stammeskämpfe, Terrordrohungen und Tsunamis.
Es gibt keinen
Familienstreit und Tränen beim Weihnachtsbraten, aber auch keinen Schnee und
auch keine Mitternachtsmette.
Ganz Schlaue haben
einen künstlichen Baumschirm (Made in China) und ein paar Kekse mit, um dann
unter Tränen und Heimweh dem Fest in der Ferne nachzutrauern und das um viel
Geld!
Da sich unsere
Redaktionsmitglieder eindeutig zu den Klügeren zählen, haben wir beschlossen,
diese Weihnachten mit einem firmeninternen Fest in der Redaktion zu feiern.
Der redaktionseigene
Bote Benjamin wurde auf die Leiter gejagt, um die künstlichen Plastikgirlanden
schwungvoll zwischen den Türen und der Beleuchtung anzubringen. Er stand da
oben, die Leiter wackelte gefährlich und sang ein Weihnachtslied nach dem
anderen. Wir wussten gar nicht, dass es so viele gab!
Sein Gesang wurde
jählings unterbrochen, als Ilse unsere Redaktionssekretärin, ein Tablett mit
Gläsern balancierend hereinkam und die Türe mit den linken Fuß rücklings
schloß.
Die daran befestigten
Girlanden rissen die Lampen aus der Verankerung, die Leiter um und unser
Benjamin kam darunter zu liegen.
Er wird Weihnachten
leider mit einem Gipsfuß, zwei Schlingen für die Hände und einer Halskrause
verbringen und sicher sechs Wochen im Krankenstand sein. Naja, man kann nicht
alles bedenken! Dafür wird er aber dann wie neu sein!
Gläser, eine Leiter
und zwei Beleuchtungskörper brauchen wir ebenfalls neu, nur Ilse kam ohne jede
Schramme davon, sie ist nur heiser vom Schrei und wird einige Tage nicht
telefonieren können.
Peter aus der
Sportredaktion hat sich erbötig gemacht, für die Getränke zu sorgen. Er
kontaktierte sämtliche ihm bekannten Firmen mit der Bitte um eine
Getränkespende. Nachdem er überall Proben zog, war er schon eine Woche vor
Weihnachten in Feierstimmung und lief mit einer roten Zipfelmütze herum. Wenn es Schnee gegeben hätte, wäre er sicher
mit dem Schlitten ins Büro gekommen. Er telefonierte schon ständig mit einigen
Zoos, ob sie ihm ein Rentier zur Verfügung stellen könnten, falls, ja falls es
Schnee gibt! Verkehrskontrolle oder aber den Tierschutzverein kann er aber
nicht brauchen!
Das Buffet wurde von
einem, bisher völlig unbekannten, aus Südostasien stammenden Sandwich-Lieferanten
angeliefert und sah optisch wunderbar aus. Diejenige, die versteckt eine
Kostprobe zogen, rangen noch nach Minuten nach Luft und brauchten pro Sandwich
mindestens drei Flaschen Bier oder Mineralwasser. Aber, die Brötchen waren
kunstvoll arrangiert und erfüllten den Raum mit einem sehr intensiven Geruch.
Überall wurden Kerzen
aufgestellt, die eine sehr feierliche Stimmung verbreiteten, auf einer
Grillplatte briet irgendjemand Äpfel und Tannenzweige, die den Geruch der
Brötchen dann doch übertönten.
Unser Chefredakteur
bestand auf echten Kerzen auch auf dem Weihnachtsbaum, der in der Ecke des
Aufenthaltsraumes aufgestellt wurde.
Nachträglich muss
gesagt werden, dass das keine sehr gute Idee war, denn der Baum stand
bedenklich nahe an den Vorhängen und dem Tisch mit den kleinen Geschenken der
Kollegen und innerhalb weniger Sekunden in hellen Flammen.
Die Feuerwehr war
zwar in unglaublich kurzer Zeit da, doch trotzdem verbrannten fast alle Akten,
die Registratur samt Stellagen und was heil blieb, ging im Wasserstrahl der
tapferen Männer unter.
Eines steht fest,
soviel Aufmerksamkeit und Beobachter auf den Gehsteigen gegenüber, hat unsere
Redaktion noch nie gehabt, kostenlose Werbung sozusagen. Immer, wenn von der
Feuerwehr noch rauchende Möbelstücke aus dem Haus getragen oder aus dem Fenster
geworfen wurden, applaudierte das Publikum. Besonders begeistert zur Kenntnis
genommen wurde die Explosion unserer Gastherme. Ein Schauspiel, das den Himmel
erleuchtete und im ganzen Grätzel gesehen werden konnte.
Bunte und schwarze
Papierfetzen flogen durch die Gasse, ein Konfettiregen sozusagen.
Und über allem tönte
„Stille Nacht, Heilige Nacht“, aus einem der offenen Fenster gegenüber.
Die Polizei nahm eine
Tafel aus dem Lieferwagen zur genaueren Untersuchung mit, auf der „Bin Laden“
steht. Unser Chauffeur, dessen Großeltern vor vielen Jahren aus Ägypten
eingewandert sind, was ihn natürlich sofort verdächtig machte, soll nach dem Ausnüchtern
zwecks Aufklärung von der Polizei einvernommen werden.
Die Aufräumungsarbeiten
dauern noch an, vor allem, da jeder halbwegs lesbare Papierfetzen unter die
Lupe genommen werden muss, es könnte sich ja um etwas Wichtiges, sprich eine Satire,
handeln.
Es war jedenfalls ein
be-rausch-endes Lichterfest, das in dieser Konzentration vielleicht nur alle Hundert
Jahre stattfindet.
Als wir uns schon
fast durch die verkohlten Reste der Manuskripte und Recherchenunterlagen
durchgewühlt hatten, rief der Herausgeber unseres Magazins aus Phuket an.
Wir versicherten ihm,
dass alles seinen gewohnten Weg geht.
Das klang so:
„Hier alles am
Köcheln, die nächste Ausgabe brennt uns unter den Fingern! Wir suchen die
geheimen Glutnester und machen uns Notizen. Wir haben die volle Aufmerksamkeit
der halben Stadt“.
Er klang sehr
zufrieden und wünschte uns ein fröhliches Weihnachtsfest.
Wir werden versuchen
hin und wieder gequält zu lächeln.
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