Gefühle
mit Musik und Leidenschaft
von Joana Angelides
Gestern trafen wir uns nun alle Drei im
Salon „Beauté“.
Wir hatten die Frisiermäntel an und
warteten auf unsere Behandlungen. Nur Lisa hatte bereits eine straffende Maske
im Gesicht, Eve und ich mussten noch warten. Wir bestellten uns jeder einen
gesunden Drink, mit einem Schuss Grappa darin und schwärmten von dem neuen
Schuhsalon!
Jedoch war das Hauptthema unsere
Relationen zu den Männern, unsere verschiedenen Sichtweisen und die Auswirkung auf
unser Leben im Allgemeinen.
Eve war als einzige verheiratet und daher
ihr Aktionsradius etwas eingeschränkt. Natürlich wusste Emile von ihren
gelegentlichen Ausritten, doch da sein Eheleben offenbar davon inspiriert wurde
und profitierte, nahm er es in Kauf.
„Hat Dir Eve von unserem Wochenende
erzählt?“, fragte mich Lisa.
„Ohja, sie war ja offensichtlich sehr
angetan und es dürft euch beiden auch gutgetan haben!“, versicherte ich. Was ja
auch stimmte.
Eve war gut gelaunt, irgendwie in sich
ruhend und schnurrte symbolisch wie eine Katze.
„Ich werde Marc aber irgendwie ein wenig
zurückreihen, ich habe da einen jungen Masseur im Visier. Er ist neu im
Tennisklub und soll magische Hände haben!“, schwärmte Lisa in den höchsten
Tönen.
„Ach, da wird er aber traurig sein, er
scheint sich in Dich verliebt zu haben und macht seine Sache doch gut?“ Eve
schaute erstaunt drein.
„Ja, und genau das macht mir Sorgen, er
ist zu anhänglich, da fühle ich mich bedrängt! Aber ich kann ja was arrangieren
zwischen Dir und ihm, wenn du das willst?“, Lisa schaute Eve fragend an.
„Nein, wir wollen das nicht so plump
machen, aber gib mir seine Telefonnummer, falls ….“, Eve lächelte vielsagend.
„Was ist mit Dir?“ wandte sich Lisa
fragend an mich.
„Also ich bin derzeit mit Luc sehr
zufrieden und er bleibt auch auf Distanz. Niemals ruft er an, es bin immer wieder
ich, die sich um Termine bemüht.“
Ich wollte mir nicht von einer Freundin
abgelegte Liebhaber weiterreichen lassen.
„Ohja! Naja Luc ist da was Besonderes. Er
ist der geschliffene Diamant, das Juwel in der Welt der Liebhaber. Aber er kostet
auch einiges!“, sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht.
Ich lächelte zurück. „Ja, das ist wahr“,
gab ich zu. Alleine die Erwähnung seines Namens erregte mich bereits.
Pierre, der schwule Friseur, hatte uns
zugehört und sagte:
„Oh, ihr kennt Monsieur Luc? Ja, der ist
bei Damen sehr beliebt und alle schwärmen von ihm!“, er rollte begeistert mit
den Augen.
Bekanntlich sind ja der Frauenarzt und der
Friseur die einzigen Männer, die fast alle Geheimnisse von Frauen zur Gänze
kennen. Daher war er für uns ein Neutrum und es war uns egal, ob er unser
Geheimnis kannte oder nicht.
„Will eine der Damen unter Euch, oder
alle, vielleicht eine Intimrasur noch vor dem Wochenende? Ich hätte
anschließend noch Zeit?“, er nahm seinen Block, der an einer Kette um seinen
Hals hing, zur Hand.
„Nein Danke!“, sagten wir fast
gleichzeitig. Er zuckte mit den Schultern und holte für mich die Packung für
meine Haare.
Während ich so dalag, meine Haare in der
Silberfolie verpackt, mein Gesicht unter einer Maske versteckt und Melanie, die
Maniküre mich bearbeitete, überlegte ich, ob ich mir vielleicht doch noch einen
Liebhaber zulegen sollte. Luc war natürlich das Non-plus-Ultra für meine
erotischen Bedürfnisse, ein Tool, das alle Finessen kannte und auch ausspielte,
aber irgendwie wäre eine sanftere Variante so zwischendurch nicht zu verachten!
Serge, ein Musiker der in derselben Etage
wie ich ein Appartement bewohnte, wäre da vielleicht eine Option. Ich bin ihm
schon im Lift begegnet und da sind mir seine großen dunklen, verträumten Augen
aufgefallen und sein Geigenkasten. Er hielt ihn immer fast zärtlich im Arm und
blickte mich verstohlen von der Seite eher schüchtern an. Sein Gruß war oft
nicht mehr als ein Nicken, dann senkte er immer die Augen. Er musste romantisch
und zärtlich sein, fand ich und entschloss mich, diese Festung zu stürmen.
Runderneuert und mit neu erwecktem
Jagdinstinkt verließ ich den Salon und meine Freundinnen und nahm mir ein Taxi.
Zuhause angekommen, ließ ich mein
Etuikleid einfach hinabgleiten und schlüpfte in meinen bequemen Kaftan und ging
hinüber zur Türe von Serge und läutete.
Er öffnete sie einen Spalt.
„Ja?“, er errötete ein wenig
„Bin gerade nach Hause gekommen und wollte
mir Tee machen, mir fehlt allerdings Zucker, können Sie mir welchen geben?“,
ich hielt eine kleine Schale in Händen und schaute ihn bittend an.
„Ja, natürlich!“, seine Stimme war tief
und samtweich, stellte ich fest. „Kommen Sie herein!“
Sein Vorraum lag im Halbdunkel und es roch
nach Sandelholz. Er nahm meine Schale und ging in die Küche, ich hörte ihn
rumoren.
Ich blickte durch eine offene Türe in sein
Wohnzimmer. Da lagen auf einem Klavier seine Geige und der Bogen und daneben
stand ein Cello.
Er kam mit der Schale zurück.
„Sie habe da ja ein ganzes Orchester!“,
sagte ich echt erstaunt.
„Ich bin Mitglied im Orchester der Pariser
Oper. Lieben Sie Musik?“, fragte er mich.
„Ohja, nur kann ich leider nur etwas Klavier
spielen, doch komme ich nur selten dazu und habe auch keines. Aber ich höre
gerne zu. Besonders wenn jemand Geige spielt!“
Er stellte die Schale mit dem Zucker auf dem
kleinen Tischchen unter dem Spiegel ab, nahm meine Hand und führte mich ins Wohnzimmer,
drängte mich zur Couch und ich setzte mich.
Er ging zum Klavier, nahm seine Geige und den
Bogen und setzte an
Er spielte das Violinkonzert in e-Moll von
Mendelsson Bartholdy. Er spielte es mit geschlossenen Augen, sehr gefühlvoll
und vorerst mit geschlossenen Augen! Ich war fasziniert. Die Schwingungen der
Musik setzten sich in meinem Inneren fort und ich lehnte mich etwas zurück. Er
kam näher und blickte mich nun voll an. Ich genoss diese süßen Töne, stützte
mich auf einem der Pölster auf und spürte, wie sich mein Körper loslöste von
der Realität. Er legte die Geige weg, mit zwei Schritten war er neben mir und
küsste meine Hand. Ich spürte, dass seine Lippen zitternden. Seine zweite Hand
glitt nach Rückwärts und er hob mich sanft an, sodass ich vom Polster hinunterrutschte
und nun in einem Meer von Gefühlen, Pölster und seinem Fluidum versank. Der Raum
war noch immer voller Musik und den von ihm erzeugten Tönen. Mein Kaftan war
schon längst aufgegangen und ich spürte seine Lippen auf meiner Haut, seine
Hände waren überall und er schien 100 Hände zu haben. Wir vergaßen meinen Tee,
vergaßen, dass es draußen immer dunkler wurde, sondern gingen voll ineinander
auf. Und es bestätigte sich, dass er sanft und zärtlich war, er konnte nicht
nur Geigen zum Singen bringen, sondern auch meinen Körper und als sich ein
Orgasmus entlud, schien ich auf einer Wolke zu schweben, die von Geigen und Harfen
umgeben war. Die Vereinigung unserer beiden Körper gestaltete sich als sehr
intensiv, begleitet von sehr langsamem Adagios und dann wieder wildem Prestissimo,
übergehend in ein Allegretto und einem liebevollen Amoroso.
Sein Körper war muskulös, durchtrainiert
und biegsam wie eine Gerte. Er war ausdauernd und unermüdlich. Er war das
Gegenteil von Luc, seine Höhepunkte raubten Raum und Zeit die Berechnung, er
ließ mich schweben und träumen. Seine Leidenschaft erwachte immer wieder, es
war eine tiefe Leidenschaft, die an ungarische Musik erinnerte, tragend und melancholisch,
süß und dann wieder wild, wie die der Wildpferde in der Puszta.
Als wir uns endlich lösten, war es bereits
dunkle Nacht. Er machte eine kleine Tischlampe mit durchbrochenem Schirm an und
tausend Lichter tanzten um uns herum.
Er half mir auf, küsste meinen Nacken,
strich langsam über meinen heißen Körper und geleitete mich hinaus. Wir sprachen
kein Wort, war auch nicht nötig!
Ich nahm meine Schale und ging wieder.
Ich wusste nun, wohin ich gehen musste,
wenn ich tiefe intensive Zärtlichkeit mit Musikbegleitung brauche!
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