Nächte der sinnlichen
mystischen Träume.
Joana Angelides
Die Hektik des
Verlages in New York lässt mich tagsüber kaum an Privates denken. Nur, wenn ich
dann nächstens völlig ausgelaugt und erschöpft auf das große Bett in meinem
Hotel falle, eingehüllt in den weichen Bademantel als Service des Hauses, dann
kommen sie natürlich wieder, diese Träume, die ich schon immer hatte, die mir
meine eigene Vorstellungswelt vorgaukelte. Von Kindheit an waren es immer
wieder dieselben wiederkehrenden Träume.
Ich denke, es sind eigentlich Wunschträume, Dinge die wir unbedingt
haben oder erleben wollen. Die Vermutung
liegt nahe, dass es auch so ist und wird von meinem Psychiater, dem ich mich
immer wieder anvertraue, so eingestuft.
Ich träumte oft, dass
sich Wände, oder Felsen plötzlich öffnen, oder sich auftuende Fluten im Meer,
die mich locken und rufen.
Wenn ich im
Halbschlaf so durch Wände hindurch schlüpfe so finde ich mich meist in großen
Räumen, lichtdurchflutet, mit Blick auf eine wunderschöne, liebliche
Landschaft, wieder. Leise Flüsternde Bäche und im Wind sich bewegende
Birkenwäldchen fügen sich ein.
Ich erwarte immer
jemand, mein suchender Blick streift herum und bleibt dann immer an einer nicht
näher erkennbaren Gestalt hängen. Sie steht meist an einen der Birkenstämme
gelehnt da und blickst mir ruhig und lächelnd entgegen, ein Ritter in Wams und
Beinkleidern. Er erscheint mir immer
wieder in anderer Gestalt, einmal mit goldenem Haar, ein andermal mit einer
feurigen roten Mähne, oder tiefschwarzem, lockigem Haar.
Wenn ich mich ihr
dann nähere, beginnen sich unsere Kleider zu lösen, zu Boden zu fallen und
letztendlich stehen wir dann nackt voreinander.
Ich denke, es ist die
Sehnsucht nach Berührung, Flucht aus der Einsamkeit dieser Nächte, die mich
diesen Traum immer wieder träumen lassen.
Ich spüre jeden
Grashalm, jeden Erdkrümel auf meinem Rücken und den Duft der frischen Wiesen
rundherum. Wir sprechen in keinem dieser
Träume auch nur ein Wort. Seine Lippen bewegen sich nur auf meiner Haut und
seine Zunge umrundet langsam und stetig meine intimsten Punkte. Wir scheinen alleine in dieser Welt der
Fantasie zu sein und es fällt uns nicht einmal auf.
Die helle Haut meiner
Schenkel, das lose Haar vermischt sich mit dem hellen Grün der Gräser die
leicht wippen, wenn die vollen Blütenknollen im Wind sich bewegen.
Ich spüre den leisen
Windhauch zwischen meinen geöffneten Beinen, seine suchenden Fingerkuppen und
seine heiße Handfläche meinen Garten der Lust durchpflügen und mein Seufzen und
leises Stöhnen vermischt sich mit dem Gesumme der Bienen.
Dann spüre ich
langsam das aufsteigende Gefühl der Lust, plötzlich mit sanfter Gewalt nimmt es
Besitz von meinem Körper und auch die Wolken am Himmel verdecken ein wenig das
klirrende Sonnenlicht. Eben dieser Körper, der noch vor Sekunden weich und
sanft dalag und die Berührungen genoss, wird erfasst von dunklem Dröhnen, dem
Verlangen nach Mehr und Kräftigerem. Das Blut beginnt zu rauschen, das Gefühl
eines drohenden Gewitters liegt in der Luft und plötzlich bahnen sich Gefühle
wie glühende Lava den Weg nach außen und mit vermeintlichem Blitz und Donner
ergießen sich diese sintflutartigen Gefühle, geformt in immer wieder kehrende
Orgasmen aus der ungeahnten Tiefe der in mir schlummernden Leidenschaft.
Irgendwie erinnert mich diese Gestalt nun an Emile, oder doch an Serge?
Erschrocken halte ich
inne, sind die Beiden in meiner Fantasie schon so verschmolzen, dass sie nur
mehr vereint in meinen Träumen auftreten?
Durch diese
Gefühlsausbrüche und Heben und Senken meines Beckens, der in den Laken
suchenden Hände, werde ich regelmäßig munter und schreie meine Lust und
Enttäuschung in den Raum und Polster meiner Liegestatt.
Es sind dies die
Träume der Nacht, doch kann ich ohne besonderen Anlasse solche Träume auch bei
Tag, zum Beispiel am Strand, in der Sonne liegend und vor mich hindösend, voll
ausleben.
Seit meinen
Kindheitstagen vermutete ich schon immer Poseidon, den Gott der Meere und
Tiefen in der Dunkelheit der See.
Ich glaube ihn rufen
zu hören, laut und dröhnend. Es kommt aus der Tiefe, ist lockend und doch
herrisch zugleich.
Er ruft mir zu, die
Bettstatt ist bereit, die Kutsche aus der Tiefe steigt auf und wird mich holen.
Dann sehe ich im dunklen Wasser sein Fünfeck leuchten, seine mächtige Gestalt
verschwommen sich bewegen. Und ich bin sofort bereit.
Immer, wenn ich mich
dann in die Fluten werfe, mit meinen Armen das Wasser teile, höre ich Klänge
aus einer anderen Welt, gurgelnd, hell und rauschend. Die Strudel ziehen mich
hinab und ich besteige diese wunderbare, grüne Kutsche mit den weißen Pferden der
Wogen und versinke in dem sich öffnenden Schlund.
Poseidon selbst
reicht mir seine mächtigen Hände, trägt mich in sein Unterwasserschloss und wir
sinken auf das mit Schlingpflanzen und Algen gepolsterte Bett.
Neugierige
riesengroße Fische, Oktopusse und schemenhafte Gestalten umkreisen uns, grüne
Schleier und Seeanemonen zittern um uns herum und ich versinke in den mächtigen
Armen Poseidons. Die unterirdische Strömung des Meeres lässt mich unter kühlen
Prisen erschauern und wärmeren Strömungen vergehen. Er nimmt mich einfach,
seine Kraft strömt in mich und es beginnt eine unendliche Reise in die dunkle,
geheimnisvolle Tiefe der Leidenschaft.
Seine kräftigen Hände streichen sanft und doch fordernd über meinen Leib,
erzeugen Druck und Zittern.
Die Entladung unserer
Höhepunkte erzeugen an der Oberfläche plötzliche starke Wellen, lässt die Möwen
erschrocken auffliegen und sich weiter draußen, an Ufernähe niederlassen. Der
Wind hält den Atem an und die Farbe des Wassers färbt sich dunkelgrün.
Oh, welch süße Worte
kann Poseidon flüstern. Sie plätschern an meinen Ohren wie leise Sinfonien
dahin und lassen in meinem Blut Blasen aufsteigen und diese im Kopf zerplatzen.
Er lässt sich Zeit,
erweckt immer wieder dieses ungeheure Verlangen in mir, genießt es, wenn ich
wild um mich schlage, das Wasser in Bewegung kommt und die Fische sich
erschrocken in Nischen und Höhlen zurückziehen. Er bindet Schlingpflanzen wie
Taue um meine Arme, ringt Muscheln und Seegras in mein Haar und beginnt mich
immer wieder zu erforschen, meine Schreie der Lust und Auflösung verlieren sich
in den Weiten des Meeres. Danach trägt er mich
zärtlich auf seinen Armen an die Oberfläche und legt mich sanft in die
Wogen.
Plötzlich wird das
Wasser aufgepeitscht, riesige Wellen zerstören die Wasseroberfläche.
Das tägliche Schiff
vom Festland und zerstört meinen Traum, vertreibt Poseidon aus ihm. Ich hasse
dieses Schiff immer in solchen Momenten. Aber ich weiß, Poseidon ruft mich
wieder und ich werde ihm wieder folgen.
Denn ich bin ihm
völlig hilflos ausgeliefert.
Ich bin solchen
Träumen hilflos ausgeliefert, sie befriedigen meine Seele, lenken meine
Sehnsüchte und Wünsche nach Hingabe und Erlösung.
Die Seele ist ein
weites Land, unergründlich und auf jeden Fall sinnlich und voller Mystik und
solche Gedanken schlummern wahrscheinlich in jedem Menschen. Bei einem sind sie
tief vergraben, bei anderen wiederum kämpfen sie sich an die Oberfläche.
Vielleicht bin ich
für die Mystik und die unergründliche Tiefe der Gefühle von Emile so
empfänglich, weil ich dunklen Mächte und geheimnisumwitterten Gestalten so viel
Raum in meiner Fantasie gebe?
Es ist vor allem die
Lust, die Menschen wie mich vorantreibt.
DIE LUST
Sie ist da, sie erfasst den Körper, schüttelt ihn
Züngelnde Flammen wirbeln ihn her und hin,
wie ein Schwert mäht sie alles nieder
immer wieder, immer wieder!
LUST
Erzeugt Hitze, Blitze, wir erzittern, glühen
Feuerwerke und Raketen beginnen zu sprühen
Jede Berührung lässt uns wohlig erschauern
Wir stürmen Berge, Seen, es hebt uns über Mauern.
LUST
Lässt uns rundum schlagen, lautlos schreien und betteln.
LUST
Wir wollen Hände spüren und Zungen erleben
Wollen in wohligen Schauern erbeben
Wenn uns der süße Tod überrollt, atemlos
Wollen wir es erleben. Hemmungslos
In Sinnen ertrinken, Genießen, Genießen
Und diese brennende Qual nie mehr missen.
LUST
Und es wird uns plötzlich bewusst
Wir können nicht mehr leben ohne sie,
der LUST
Nicht nur
Meeresfluten und Wände können sich in meiner Fantasie öffnen, nein auch
Felsenwände bergen für mich Geheimnisse. Wer weiß, was sich im Inneren
verbirgt, wie tief es nach unten geht, vielleicht bis in die glühende Hölle des
Erdkerns?
Moral hin oder her,
hehre Gedanken an lilienweisse Unschuld, oder doch dunkle Untiefen des
menschlichen Triebes?
Ich zwänge mich in
meinem Traum durch jeden halb verdeckten Spalt und blicke in Tiefen, die
unvorstellbar sind. Brodelnde Lava und Gasblasen beherrschen diese Höhle tief
unter mir. Oder ist sie in mir, brodelt die Lava tief drinnen in den Untiefen
meines Ichs?
Wie könnte es sein,
wenn dunkle Mächte sich unser bemächtigen, wenn durch Wecken der sinnlichen
Triebe in uns, lodernde Flammen der Lust genährt werden, wir auf glühenden
Kohlen zu liegen kommen und die Fratze des reinen Begehrens und die Gier nach
Befriedigung Oberhand gewinnen?
Lauter Fragen die wir
nur ungern beantworten, die gegenwärtig werden, wenn sich der Körper unter der
Qual der dunklen Lust windet und wir keinen Ausweg daraus finden.
Dann begeben wir uns,
teils angstvoll und teils gierig in die Arme des Teufels in uns und spreizen
uns soweit es geht, empfangen das glühende Schwert und lassen es in uns stoßen,
bis wir schreien vor Lust. Immer wieder.
Wir reiten Zerberus,
den Höllenhund, rasen durch züngelnde Flammen und sehen erschrocken das
geifernde Gesicht unseres Unterbewusstseins, sehen in einem Spiegel die eigene
verzerrte Fratze des Begehrens und wollen immer mehr.
In solchen Momenten
verkaufen wir unsere Seele und unseren Körper an den Fürsten der Unterwelt,
lassen den Körper brennen und bis zur Weißglut verglühen. Wenn unser Körper nur
den ersehnten Zustand erreicht, wir geschüttelt werden von Orgasmen, die uns mit
glühenden Zangen festhalten, ist das Ziel erreicht. Wir spüren den glühend heißen Wind auf
unserem Gesicht, gierige Hände krallen sich in unserem Fleisch fest, reißen
Stücke heraus und lassen uns letztlich fallen. Fallen in den brodelnden Rachen
unserer eigenen Lust.
Wir geben erschöpft
auf, liegen am Ende wieder auf diesen glühenden Kohlen, von Krämpfen
geschüttelt und verglühen schließlich mit ihnen.
Keuchend und frierend
erwachen wir, zusammen gekrümmt versucht der aufgewühlte Körper sich
wiederaufzurichten.
Es war der Ritt durch
die Apokalypse, den Körper befriedigend, die Seele vernichtend und letztlich
nicht wirklich befriedend.
Und genau das habe
ich dann letztendlich in Peru gefunden und empfunden.
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