Hier eine Geschichte aus dem e-Book "SIE SIND UNTER UNS"
gruselig und erotisch!
Blutgier
Er meidet die Stadt
bei Tage. Vor allem das Licht, die vielen Menschen und die Hektik sind für ihn
unerträglich. In seinen dunklen Verstecken wartet er die Dämmerung ab.
Ihm gehört die Stadt
von Beginn der Dämmerung an bis zum Morgengrauen. Er liebt es, aus seinem
dunklen Verlies zu kommen, mit den Schatten der Nacht zu verschmelzen und die
Geräusche und das Raunen der Nacht in sich aufzunehmen, sie zu analysieren.
Seit drei
Jahrhunderten bewegt er sich zwischen den sich veränderten Straßenzügen, hat
gelernt sich den jeweiligen Bedingungen anzupassen. Im Vergleich zu früher,
kann man heute nicht mehr so viele Menschen in der Dunkelheit der Nacht vorbei
eilen sehen. Sie fahren heute in Autos, fahren an ihm vorbei, ohne ihn zu
sehen. Und wenn sie seiner ansichtig werden, beeilen sie sich aus seinem
Gesichtskreis zu kommen. Er ist ihnen unheimlich.
An diesem nebeligen
Novembertag drückt er sich in eine Hausnische, um nicht von den grellen
Scheinwerfern gestreift zu werden. Er scheut das helle Licht, es tut ihm in den
Augen weh.
Sein Ziel ist der
Dachboden des gegenüberliegenden kleinen Theaters. Der Dachboden ist alt und
baufällig. Es gibt da viele lockeren Backsteine und Bretter. Diese kann man
verschieben oder anheben und hat einen wunderbaren Blick in die darunter
liegende Garderobe des kleinen Theaters.
Er genießt es, die
zarten kleinen Körper der Elevinen des Balletts zu betrachten. Ihre kleinen
Brüste mit den Augen zu verschlingen, wenn sie die Trikots wechseln, kichernd
sich gegenseitig aus den Balletschuhen helfen, nur mit kleinen weißen Slips
bekleidet sich in den Sesseln räkeln.
Seine Augen gleiten
hungrig über die zarten Nacken, den schlanken Hälsen, bis zu den Brustansätzen.
Sie gleiten tiefer, streifen die flachen Bauchdecken und verweilen an den
kleinen Hügeln zwischen den Beinen und er verliert sich in Träumen. Diese
Träume nehmen konkrete Formen an, wenn sein Blick an den schlanken und
wohlgeformten Beinen nach abwärts und wieder aufwärts gleitet. Die zarten
Körper tanzen vor seinem geistigen Auge hin und her.
Er weiß, wenn diese
Geschöpfe in seine Welt eingetreten sind, ihr Blut sich mit dem seinem vermischt hat, sie schwerelos und losgelöst
in seine Welt übergingen, dann erleben sie gemeinsam eine ungeheure Auflösung.
Die Tore der Hölle öffnen sich und die lodernden Flammen verbrennen ihre
Körper. Ihre Schreie, zwischen Lust und Schmerz, gehen in den Schreien der
anderen Kreaturen unter.
Die Körper erheben
sich jedoch immer wieder wie der Phönix
aus der Asche und vermählen sich mit der
Dunkelheit der Nacht.
Trotzdem will er es
immer wieder erleben.
Sein Atem entweicht stoßweise und zischend zwischen
seinen Zähnen.
Er hält es nicht mehr
aus. Es muss heute sein.
Sein Blick bleibt wie
so oft am Nacken einer kleinen, blonden Tänzerin hängen. Dort ringeln sich ihre blonden Haare, zum Leuchten
gebracht durch die kleinen Lampen rund um den Garderobespiegel. Sein Blick
gleitet weiter zu dem zur Seite gebogenen Hals und verweilt dort.
Ja genau dort wird er
ansetzen.
Er schließt einen
Moment die Augen, spürt die Weichheit ihrer Haut, das Pulsieren der Schlagader,
spürt, wie ihr Körper steif vor Angst wird, wie ihr das Blut zu Kopf steigt und
genau in diesem Augenblick wird er...
Es erfasst ihn fast
so etwas wie ein Schwindel, als er vermeint die Süße ihres Blutes zu spüren,
wie es warm und stoßweise aus ihr entweicht.
Das helle Lachen aus
der Garderobe unter ihm holt in aus seinen Träumen wieder zurück.
Dieses Lachen
verfolgt ihn nun schon viele Nächte und auch Tage, wenn er in der Dunkelheit
seines Versteckes versucht, diese quälenden Stunden verstreichen zu lassen.
Die Mädchen necken
sich, helfen sich beim Anziehen und stecken ihre Haare auf.
Er schiebt vorsichtig
und leise die Backsteine und die Bretter an seinem Platz zurück und gleitet
unhörbar das Treppenhaus hinab.
Mit dem Torbogen
neben dem hinteren Ausgang des Theaters verschmilzt seine dunkle, hohe Gestalt.
Seine linke Hand hebt den schwarzen Umhang um auch sein fahles Gesicht zu
verdecken.
Da kamen sie, sie
füllten die ganze Türe aus, lachend und plaudernd quollen sie heraus und liefen
alleine oder in Gruppen in verschiedenen Richtungen davon.
Dieses Mädchen, das
er für sich auserkoren hatte, kam als
letzte durch die Türe, als er schon aufgeben wollte.
Schnell drückt er
sich wieder in der Nische zurück. Die Kleine geht arglos an ihm vorbei, summt
sogar ein Lied.
Er schwingt sich aus
der Dunkelheit des Torbogens heraus und
gleitet leise hinter ihr dahin.
Jetzt, genau jetzt
schien es ihm günstig. Sie überquert eine kleine, enge Nebenstraße, die Häuser
darin sind bis auf zwei schmale Fenster, völlig fensterlos. Aus der einzigen
Türe, weiter oben in der Gasse dringt fahles Licht.
Er streckt seine Hand
aus, um sie an der Schulter zu fassen, da fällt ein Mistkübel um. Eine Katze
hatte darin Essbares gesucht.
Der Lärm hallt durch
die Nacht und schreckt einige Passanten auf.
Das Mädchen
erschreckt, aus der offenen Türe kommt ein Mann heraus, verjagt die Katze und
richtet den Mistkübel wieder auf.
In diesem Moment hat
das Mädchen die helle Hauptstraße erreicht und läuft dem gerade in die
Haltestelle einfahrenden Bus entgegen.
Er verschmilzt mit
dem Baum hinter der Haltestelle. Er lehnt sich an die abgewandte Seite des Stammes und ein tiefes Stöhnen kommt aus seiner Brust.
Er hört gar nicht
mehr, wie der Bus abfährt Seine Augen sind geschlossen, seine dünnen Finger
krümmen sich um den Umhang und er verschwindet auf der Suche nach einem anderen
Opfer in der Dunkelheit.
Aber er wird die
kleine Tänzerin sicher nicht vergessen, das Theater ist nach wie vor sein
bevorzugtes Ziel.
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