Auszug aus dem Roman
"AKTE OMEGA"
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Georg drehte sein Weinglas
langsam in der Hand.
„Also, wenn Du mich fragst, dann
hängt das mit dieser geheimnisvollen
Akte „Omega“ zusammen. Das wäre sonst schon ein sehr großer Zufall und
ich glaube nicht an Zufälle“, sagte er dann
„Ja, ich glaube auch, dass das
zusammenhängt. Wir hätten ihm die Akte geben sollen. Wir kennen uns da viel zu
wenig aus und was können wir schon machen, oder gar verhindern.“ Fast hätte Marlies
wieder zu weinen begonnen.
„Nein, jetzt erst recht nicht.
Ich werde mit Nicos in Matala telefonieren. Vielleicht hat er was gehört, oder
weiß sogar Bescheid darüber!“
Der nächste Tag war ausgefüllt mit
Protokollen bei der Polizei, Meldung bei der Hausratsversicherung,
Schadensaufnahme und gemeinsame
Aufräumungsarbeiten im Haus mit
Anna.
Für Marlies war nicht daran zu
denken, dass sie alleine im Haus verblieb, sie schlief auch in den nächsten
Tagen bei ihrem Sohn. Sie hatte Angst.
Nicos Stratopoulus ging langsam
an der Mole entlang und genoss die frische salzige Luft, die von der Seeseite
hereinwehte. Die Sonne war soeben aufgegangen und war noch immer blutrot. Dieses Rot verzauberte
die kleinen Häuser, Tavernen und Läden am Kai des kleinen Ortes zu Kleinodien.
Er war soeben bei einem der soeben eingefahrenen Fischerboote gewesen und hatte
sich einige Fische für das Mittagessen
ausgesucht. Seit seine Frau vor einigen Jahren gestorben war und ihn alleine
zurück gelassen hatte, war das Leben um
vieles leerer und trister und schwieriger geworden. Die Wohnung über dem Geschäft war völlig unverändert
geblieben, sogar ihre Haarbürste lag noch auf der Kommode im Schlafzimmer, als
hätte sie sie soeben hingelegt. Über dem ovalen Spiegel hing ihr weißer
Morgenmantel aus selbst gehäkelter Spitze und die beiden Kämme, mit denen sie
ihr Haar im Nacken immer festhielt lagen sichtbar in der halb geöffneten
Schublade der Kommode. Sie sollte alles so vorfinden, wie sie es verlassen
hatte, wenn sie das Bedürfnis hat, nächtens kurz zurückzukommen. Er wusste,
dass sie das hin und wieder tat. Und erwartete sie, ja er sprach sogar mit ihr!
Er nahm dann immer wieder ihren Duft in dem Raum am nächsten Morgen wahr.
Er war inzwischen bei seinem
Laden, in dem er neben wertvollen
Antiquitäten, auch moderne Dinge mit hellenistischem Touch für die
Touristen anbot, angekommen und sperrte ihn auf. Dann ging er nach rückwärts in
die Küche und warf die Fische ins Becken der Spüle. Ellena, seine Putzfrau und
„Vertraute der letzten Stunden“, wie er sie scherzhaft nannte, hätte eigentlich
schon längst da sein müssen. Sie wird sich der Fische annehmen und ein
wundervolles Mahl daraus bereiten.
Dann ging er die Treppe nach
oben, um sich für die Tagesarbeit im Laden umzuziehen. Es machte ihm Spaß, wenn
er tadellos gekleidet, ganz in Weiß, mit einer Kapitänsmütze und einigen
goldenen Litzen an der Schulter, im Laden stand und die Touristinnen ihn
anhimmelten, ihn „Herr Kapitän“ nannten. Hin und wieder nahm er seine
Kapitänsmütze auch ab, dann konnte man seine gepflegten silbergrau schimmernden
Haare bewundern, die zu einem ungehörig erotisch anmutenden Wettstreit mit
seinen großen fast schwarzen Augen aufriefen. Sein ebenfalls gepflegter weißer
Oberlippenbart und die Meerschaumpfeife taten das übrige, um die Damenwelt
immer wieder zu veranlassen, sein Geschäft aufzusuchen und das wiederum steigerte seinen Umsatz.
Er war nicht immer
Antiquitätenhändler. Eigentlich war er Agent des griechischen Außenamtes, war
bei verschiedenen Botschaften in Europa tätig gewesen und für manche
Spezialaufgaben im Einsatz. Nachdem er sich zur Ruhe gesetzt hatte und dieser
Laden gerade zum Verkauf stand, griff er kurz entschlossen zu. Er war aber hin
und wieder noch weiterhin im Einsatz, wenn seine Sprachkenntnisse oder
Erfahrung gefragt waren. Doch es waren meist Einsätze, die geheim, bzw. nicht unbedingt für die
Öffentlichkeit bestimmt waren und daher war diese seine Tätigkeit weitgehend
unbekannt in seinem Freundeskreis geblieben.
Er rückte einige Gegenstände hin
und her, polierte mit einem Spezialtuch
diese und jene Lampe und schob ein neu angekauftes altes Jadehalsband in
die Mitte der Auslage, sodass es, wie er wusste, gegen Mittag im goldenen Sonnenlicht
lag. Der Preis war diskret an der Unterseite angegeben, er wollte die Kundinnen
ja nicht gleich verschrecken. Es war ein Gliederhalsband, aus dreizehn
geschnitzten Mäandern, in unterschiedlicher Größe, klein beginnend, größer
werdend zur Mitte hin.
Ganz versunken in den Anblick des
wunderschönen Stückes hätte er fast das Telefonklingeln überhört.
„Oriste,
ne? Wer spricht?“, er runzelte die Stirne. Doch sofort
erschien auf seinem Gesicht ein breites Lächeln, „Georg! Ja wie geht es Euch
denn? Wie geht es Marlies?“, bei der Nennung des Namens seiner Freundin
verdunkelte sich seine Miene. Er wusste, wie sehr sie der Tod Michaels
getroffen hat und war in Sorge.
Georg leitete sein Gespräch mit
den Ereignissen der letzten Wochen ein und kam dann zum Grund seines Anrufes.
Er schilderte Nicos die Begebenheiten rund um die so genannte Akte „Omega“, die
Nervosität die plötzlich herrschte und den Einbruch.
„Nicos, hast Du über diese
Angelegenheit irgendetwas gehört?“
Als Nicos das Wort „Omega“ hörte,
atmete er tief ein. Seine Hand mit dem Telefon sank einen Augenblick, dann
seufzte er.
„Ja, weißt Du, ich bin da sicher
nicht so informiert, habe aber schon was darüber gehört. Ja, man will irgendwas lagern, ein
französisch-deutscher Konzern der Abfallwirtschaft hat angeblich irgendwelche
Vermessungen gemacht, aber ich denke, das ist wieder eingeschlafen. Es betrifft
aber nicht unsere Gegend, ist weiter in den Bergen, dort wo es Höhlen gibt.
Es gibt nur Vermutungen, am Telefon können wir darüber nicht wirklich
sprechen“, er hoffte, Georg wird sich damit zufrieden geben.
„Schade Nicos, hätte gerne mehr
darüber gewusst!“, Georg hoffte, dass er doch noch etwas aus Nicos heraus
locken könnte.
„Aber, lass das, da kennen wir
uns nicht so aus. Was anderes, warum kommt Marlies nicht zu uns her, macht ein
wenig Urlaub, gewinnt Abstand und besucht alte Freunde wie mich?“, in seiner
Stimme lag Wärme und Aufmunterung.
„Nicos, ja das ist eine gute
Idee. Wir sollten sowieso das Haus hier in Wien
neu tapezieren, die Sachen, die beim Einbruch beschädigt wurden,
wieder reparieren und alles irgendwie verändern. Das Haus ist ja noch immer
voller Erinnerungen, Du weißt ja wie das ist!“
Und ob Nicos das wusste! Auch er
hatte ja bis heute nicht die Kraft für Veränderungen in seinem eigenen Hause
gehabt, seit seine Frau Serafina gestorben war.
Sie wechselten noch einige
belanglose Sätze, dann verabschiedeten
sie sich und Georg versprach, sich in den nächsten Tagen zu melden um ihm darüber
zu informieren, ob Marlies einverstanden ist, nach Kreta zu kommen.
Marlies lehnte im ersten Moment
das Ansinnen ab, gerade jetzt nach Kreta zu fliegen. Doch die Argumente, die
Georg hatte, waren nicht von der Hand zu weisen. Das Haus in Wien barg so
ungeheuer viele Erinnerungen, der Einbruch war ein tiefer Einschnitt für sie,
erzeugte immer wieder Unruhe und Angstzustände. Sie erschrak bei jedem
Geräusch, besonders nachts, obwohl sie ja sowieso nicht zu Hause schlief. Nach
einigen Tagen hatte sie sich jedoch der Idee soweit angenähert, dass sie
zusagte. Georg ersparte sich die Weiterführung seiner Debatte mit dem
Reisebüro, wegen des Stornos des
vorhandenen Tickets, es wurde auf Marlies umgebucht und dann war es so weit. Sie
standen in der Abflugshalle des Flughafens und der Lautsprecher gab bereits das
Gate für den Abflug durch. Der Abschied war innig aber kurz und sie saß, ohne
dass es ihr wirklich bewusst wurde plötzlich schon im Flugzeug.
Der Anflug auf Kreta war wie
immer umwerfend. Man sah zuerst die Insel in ihrer vollen Länge doch je näher
man dem Flughafen von Iraklion kam, konnte man den Inselcharakter gar nicht
mehr wirklich erkennen, da Kreta eine sehr große Insel ist.
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