Die geheimnisvolle Höhle.
Paul hatte einige Mühe mit der Zentrale der Bank eine Vereinbarung zu treffen, dass er die restlichen Urlaubstage auf einmal konsumieren konnte. Sie verblieben so, dass sein Vizedirektor, Franz Bergmann, vorläufig als Filialleiter eingesetzt wird, bis er wieder seinen Dienst aufnehmen wird.
Er sprach dann noch mit Franz Bergmann, der sich besorgt
zeigte, ob er das alles alleine schaffen wird, dann aber resigniert
sein neues Aufgabenbereich akzeptierte. Paul beendete das Gespräch dann
besorgt. Bisher war seine Tätigkeit das Wichtigste in seinem Leben. Athina war der ruhende Pol,
der ihn auffing, wenn er Probleme hatte. Es kam des Öfteren vor, dass er sich
Arbeit mit nach Hause nahm, die er im Büro nicht in Ruhe machen konnte. Dann
war sie es, die zu seinen Füßen saß, las oder einfach nur vor sich hin träumte.
Das hatte sich nun alles geändert. Sein Leben war turbulent geworden, er war in
einem für ihn fremden Land, alle Begriffe waren durcheinander gekommen. Seine
Gefühle verstrickten sich in einer lodernden Flamme von Verlangen, Leidenschaft
und Hingabe, die er bisher nicht gekannt hatte. Die Frau derzeit an seiner
Seite war alles andere als ein ruhender Pol. Sie war wie ein Vulkan, der immer
kurz vor einer Eruption stand, in dem es glühte und brodelte. Er stand am Rande
des Kraters und genoss die Gefahr.
Als er seine Telefonate endlich erledigt hatte, rief er nach
Elisa.
„Hier bin ich, komm, wir gehen zum Strand hinunter. Das Meer
ist tiefblau, ruhig und es schaukeln einige Möwen auf den Wellen. Wir werden
den heutigen Tag genießen und dann Morgen sehr früh aufbrechen um diese Höhle
zu finden.“ Sie stand wie gestern auf der Treppe neben dem Kamin, die in den
ersten Stock zu den Schlafräumen führte. Sie war bereits umgezogen, hatte einen
schwarzen Badeanzug mit großen gelben und orange farbenen Blüten an und eine
übergroße Sonnenbrille, die mit dem roten Sonnenhut harmonisierte. Sie sah
umwerfend und sehr verführerisch aus.
„Wir könnten aber auch hier bleiben!“.
Sie lachte.
„Netter Versuch, vergiss Dein Versprechen nicht! Aber vorher
schwimmen wir noch ein wenig, das haben wir uns verdient!“
Verwundert merkte er, dass es ihn mit unglaublicher
Intensität erregte, dass sie das Wort „vorher“ aussprach. Sie war eben eine
Frau, die wusste, was sie wollte und es sich auch nahm.
Sie liefen zum Strand hinunter warfen sich mit lautem Lachen
in das kühle Nass.
Als sie dann atemlos im Sand lagen und den Sand durch die
Finger gleiten ließen, holten sie die Ereignisse des heutigen Tages wieder ein.
„Er ahnt nun, dass wir etwas wissen, aber er weiß nicht, wie
viel und was wir wissen. Wenn er irgendwie involviert ist, dann wird er
vielleicht nervös werden. Es muss jemand gesehen haben, als Kosta aus dem Auto
ausstieg, oder zumindest erfahren haben, dass er mit uns gesprochen hat, wenn
Kosta tatsächlich verschwunden ist. Aber wer sollte daran Interesse haben,
außer dem Bürgermeister?“.
„Naja, die Einzige soll ja seine Mutter gewesen sein, die es
gewusst hat und die kommt wohl nicht in Frage. Da hat jemand kalte Füße
bekommen. Ich tippe auch auf den Bürgermeister. Wie heißt denn der Kerl
eigentlich?“
„Ich habe mir die Kopie der Zeugenaussage angeschaut, da
steht sein Name drin. Denn es hat mich auch schon interessiert. Sein Name ist
Gregoris Papadopoulos“.
„Er hat sich eigentlich gar nicht richtig vorgestellt, er hat
sich nur als Bürgermeister, als Dimarchos,
definiert. Das habe ich mir gemerkt, was sagst Du dazu?“ Sie lachten
beide.
„Du tust mir ja leid. Griechisch ist ja keine leichte
Sprache. Aber vielleicht lernst Du es doch noch eines Tages“.
Keiner der Beiden sprach weiter. Es wurde beiden bewusst,
dass die Situation mehr als verworren, unklar und verfahren war.
Paul konnte sich ein Leben ohne den Funken, den Elisa in ihm
entzündet hatte, gar nicht mehr vorstellen. Elisa fühlte sich schlecht, fand
die Situation aussichtslos und fand sich in einem Irrgarten von Empfindungen
zwischen ihrer Freundschaft zu Athina und ihrer Liebe zu Paul.
Schweigend begaben sie sich
wieder hinauf zum Haus. Die mittägliche Hitze begann zu wirken, die Luft
flimmerte und der Sand war heiß, sie
mussten laufen. Im Haus war es dagegen angenehm kühl. Es wirkte der Schatten
der es umgebenden Bäume.
Sie duschten gemeinsam, ließen das Wasser zwischen ihnen
herunter laufen, seiften sich gegenseitig ein und genossen ihre zärtlichen
Berührungen.
Elisa bereitete einen leichten Imbiss zu, den sie auf der
Terrasse mit kühlem Retsina-Wein einnahmen. Eine leichte Brise umspielte sie,
die dünne weiße offene Bluse umspielte
ihre Gestalt Darunter trug sie ein dünnes, weites, bodenlanges Kleid, das mit
dem Azurblau des Meeres konkurrierte. Die dünnen silbernen Träger liefen über
ihre Schultern nach rückwärts. Das ganze Outfit gaukelte ihm vor, einer
Meerjungfrau gegenüber zu sitzen.
„Wie machst Du das nur, immer so verführerisch auszusehen?“, er
nahm ihre Hände, führte sie zum Mund und
drückte einen leichten Kuss darauf.
„Du weißt doch, Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Du
siehst mich eben so und es gibt Augenblicke, da bin ich unglaublich glücklich,
das merkt man“, sie musste sich gestehen, dass sie sich gerade eben so fühlte und am Liebsten hätte sie die Zeit
angehalten.
Als sie dann später, nackt und mit einem dünnen Laken
bekleidet atemlos unter dem sich drehenden Ventilator am Bett im Schlafzimmer
lagen und sich an den Händen hielten, blieb die Welt plötzlich stehen. Sie
drehte sich einfach nicht weiter und sie fielen in einen tiefen Schlaf.
Auch am nächsten Morgen war die Welt noch immer durchdrungen
von ihren Gefühlen und der beginnende Tag und die aus dem Meer aufsteigende
Sonne mit ihrem Gold, das den Raum erfüllte, versprachen Harmonie und Glück.
Sie frühstückten und packten dann neuerlichen einen Proviant
in den Kofferraum und machten sich auf den Weg.
Paul fuhr, Elisa hatte den Plan, den ihnen Kosta gab auf den
Knien. Sie fuhren nicht zum Dorf hin, sondern
ins Landesinnere zu den Bergen am Horizont. Irgendwann bogen sie von der
betonierten Straße ab und da wurde die Straße dann zu einem staubigen Weg, der
holprig ein wenig aufwärts führte. Es lagen kleine und größere Steine am Weg
und Paul fuhr vorsichtig, er hatte Angst, dass sie mit dem Auto irgendwo liegen
blieben. Ob dann Hilfe kam, war mehr als fraglich. Dann wurde die Straße noch
steiler und Paul hoffte, dass der Motor nicht
zu heiß würde. Nach einer Weile blieb er am Straßenrand unter einem Baum
stehen und nahm selbst die Karte in die Hand.
„Nach der nächsten Kurve müssten wir bei der eingezeichneten
Kapelle sein, dann ist es nicht mehr weit“, er gab die Karte wieder an Elisa
zurück. Sie tranken etwas aus den mitgebrachten Wasserflaschen und fuhren dann
wieder weiter.
„Was hat den eigentlich dein Professor in Athen gesagt, als
Du mit ihm telefoniert hast?“
„Oh, er war sehr empört als ich ihm die Situation schilderte.
Sollte das stimmen, dass sich Danae da an illegalen Verkäufen beteiligt, würde
ihn das sehr enttäuschen. Sie war eine seiner besten Studentinnen und er war es
ja, der ihr eine Stelle im Museum angeboten hat. Er hat sie außerdem betreut und unter seiner
Domäne hätte sie ihren Abschluss gemacht. Aber er hat nichts gehört, es sind
auch keine neuen Stücke aufgetaucht, aber er wird sich umhören“.
„Also, ich bin ja nicht von der Branche, oder wie immer das
bei Euch heißt, aber laut Kosta hat Danae ja nicht einzelne Stücke verkauft,
sondern es dürften schon eine ganze Menge gewesen sein. Sie haben die Dinge ja
sogar mit Booten weggebracht. Irgendwann müsste so was bemerkt worden sein “,
Paul hatte da seine Zweifel, doch Elisa versuchte es ihm zu erklären.
„Naja weißt Du, Prof. Thalos ist eben nur Wissenschafter,
eingesponnen in seine Arbeit. Er hat nicht einmal Familie, ich glaube er
schläft sogar dort. Meist sitzt er im Untergeschoß und beschäftigt sich mit
seinen Keramiken, Fundstücken und Katalogen“.
Sie waren inzwischen bei der kleinen Kapelle angekommen.
Elisa wollte stehen bleiben und eine Kerze anzünden. Die Kirche lag etwas 15
Meter von der Straße entfernt, war umringt von Bäumen. Sogar ein kleiner
Marmorbrunnen mit munter plätscherndem Wasser war da. An dem Brunnen hing an
einem Kettchen ein Metallbecher, der zum trinken einlud.
Während Elisa in die kleine Kapelle, die mit einer Ikone, einem Tischchen
mit einem gestickten Tischtuch bestückt war, hineinging, setzte sich Paul auf eine der
Bänke und genoss diese unglaubliche Stille rundum.
Er konnte sehen, dass sie eine dieser dünnen, langen Kerzen
die in einer Schachtel herum standen nahm, anzündete und in eine mit Sand
gefüllte Schüssel steckte. Dann küsste
sie die Ikone, bekreuzigte sich, wie es griechisch orthodoxe Gläubige tun und
kam wieder heraus. Sie nahm auch den Metallbecher und trank von dem Wasser.
„Hast Du da getrunken? Das Wasser ist reines Quellwasser,
kommt direkt aus den Bergen und ist kalt“.
„Nein danke, da haben sicher schon Hunderte daraus getrunken,
das mag ich nicht!“
„Weißt Du, das ist wie mit den Ikonen. Diese Bilder küssen
auch hunderte Menschen, aber noch nie ist jemand krank geworden, da beschützt
Dich der Heilige, in diesem Fall der Agio Dimitris. Dem ist diese Kapelle
geweiht“,
„Trotzdem danke, ich glaube, der kennt mich gar nicht!“,
scherzte er und ging zum Wagen.
Der Weg führte immer näher zu den aufsteigenden Wänden des
Berges. Auf einer Seite des Weges führte nun eine steile Felsenwand mit
spärlicher Vegetation nach oben, neben der Straße ging es ungefähr zwei Meter zu einem kleinen
Bach hinunter, der glasklar und sauber war und auf der anderen Seite des Baches
führte wieder eine steile Felswand nach oben. Sie waren in die von Kosta
beschriebene Schlucht eingefahren.
„Also ich kann mir schon vorstellen, dass Kosta auf dieser
schmalen Straße sehr aufpassen musste, dass man ihn nicht sah oder hörte als er Danae und den Bürgermeister verfolgte. Aber
hier irgendwo muss sich die Strasse
wieder verbreitern und dort sollte dann die Höhle sein. Ich werde aber ein
Stück weiterfahren und wir gehen dann
zurück, damit wir keine unangenehme Überraschung erleben, sollte jemand
kommen!“
„Glaubst Du, dass jemand kommt?“, Elisa klang ein wenig
ängstlich und sprach leise.
„Wer weiß…. aber Du brauchst nicht zu flüstern, noch ist
niemand da!“, er strich über ihren Schenkel, um sie zu beruhigen und lächelte
sie an.
Tatsächlich verbreiterte sich die Schlucht bei der nächsten
Biegung. Es entstand ein kleiner Platz. Paul fuhr, wie er angekündigt hatte, jedoch auf der wieder schmaler werdenden Straße weiter und parkte erst nach der nächsten
Biegung, sodass man den Wagen von der kleinen Lichtung aus nicht sehen konnte.
Sie gingen das kleine Stück zurück und sahen sich um. Sie
konnten aber nirgendwo eine Höhle oder einen Eingang im Felsen entdecken.
„Vielleicht ist es nicht hier, sondern noch weiter in der
Schlucht?“, flüsterte Elisa.
„Nein, das glaube ich nicht, Kosta sprach von ca. 3 km nach
dem Kirchlein und das müsste hier sein und Du brauchst nicht zu flüstern!“ Paul
musste lachen.
„Es ist alles so unheimlich hier. Dadurch, dass die Felsen an
beiden Seiten so nah an der Straße steil
nach oben führen, fällt wenig Licht herunter. Außerdem höre ich es dauernd
knacksen“.
„Das werden die Füchse, Bären
und Wölfe sein, die uns verfolgen!“„Hör auf mit dem Unsinn!“ lachte sie,
hängte sich aber vorsichtshalber bei Paul ein.
Sie gingen an der Felswand entlang und Paul tastete die
Steine ab.
„Hier ist was, da scheinen Steine locker zu sein.“
Tatsächlich waren einige größere Steine aufeinander geschichtet
und ließen sich wegnehmen. Als sie unter großer Mühe fünf der Steine weg hoben,
wurde eine eiserne Türe sichtbar. Sie räumten die restlichen Steine weg und
standen vor einer Eisentüre, die sich farblich fast nicht von dem Fels abhob.
Sie war jedoch verschlossen.
„Ja, hier ist es, aber wir werden die Türe nicht öffnen
können. Es ist eine schwere eiserne Türe, das Schloss ganz neu und außerdem ist
auch noch ein Sicherheitsschloss angebracht.“, in seiner Enttäuschung schlug
Paul mit der Faust an die Türe.
„Hast Du gedacht, es ist eine offene Höhle, mit all den
geschilderten Dingen und Koffern voller Geld darin?“
„Nein, das nicht. Aber ich habe es mir einfacher vorgestellt!
Wenn Kosta hier hinein gehen konnte, müssen sie die Türe neu gemacht haben.
Wahrscheinlich war der Eingang früher nur mit den Steinen verschlossen gewesen.
Aber seit sie Danae und den Bürgermeister darin entdeckt hatten, mussten sie
handeln.“
„Ja, das wäre möglich. Nur wie kommen wir da nun hinein?“, Elisa klang richtig mutlos.
„Ich überlege mir gerade, dass wir ja nichts gewinnen können,
wenn wir eindringen. Sollen auch wir etwas mitnehmen? Wozu? Was hat denn dein
Professor Thalos gesagt, was wir machen sollen?“
„Er hat gemeint, wir sollen einmal abwarten. Er wird seine
Fühler ausstrecken, wenn er etwas erfährt,
wird er sich melden“.
„Also, das finde ich seltsam.
Eigentlich hätte er Dir raten müssen, dass wir uns an die Polizei wenden
sollen. Nur wird es sinnlos, vielleicht auch gefährlich sein, wenn wir uns an
die örtliche Polizei wenden. Wir wissen ja nicht, inwieweit die Polizei da involviert ist. Obwohl mir schien,
dass der Polizist dem Bürgermeister gegenüber nicht sehr freundlich gesinnt war. Was macht denn der
Bürgermeister nun mit unserer Anzeige, sucht er nach Danae?“.
Elisa zuckte resigniert die Schultern.
„Keine Ahnung. Aber ist Dir aufgefallen, dass er sich total in den Vordergrund gespielt hat und
den Polizisten nicht einmal zu Wort kommen ließ? Eigentlich hätte doch diese
Amtshandlung durch die Polizei durchgeführt werden müssen. Der Bürgermeister dürfte hier der Ortskaiser sein, der die Macht hat. Wir müssen vorsichtig sein“.
Paul legte plötzlich seine Hand auf den Mund von Elisa.
„Sei still, ich höre Motorgeräusche. Da kommt jemand, komm!“
Er zog Elisa mit sich und sie versteckten sich einige Meter
weiter in einer Felsennische. Tatsächlich kam ein Van um die Kurve und parkte
auf dem kleinen Platz vor ihnen.
Es stiegen zwei Männer aus, sie holten aus dem Ladraum eine
Art Rodel, stellten eine Holzkiste
darauf und gingen zum Eingang. Als sie merkten, dass die Steine weggeräumt
waren, blieben sie ruckartig stehen und blickten angestrengt in die Runde.
Paul legte den Finger an den Mund, sie drückten sich an den
Fels und hielten den Atem an. Da sie
nichts entdecken konnten, riefen sie etwas zu dem Wagen hin und ein dritter
Mann stieg aus. Er zog eine Pistole aus seinem Hosenbund und machte einige
Schritte hin und her und blickte suchend in die Runde. Dann steckte er die
Pistole wieder weg. Sie begannen miteinander zu sprechen, doch es war zu leise,
Paul und Elisa konnten nichts verstehen.
Elisa beugte sich etwas vor, um besser hören zu können, was
sie sprachen, doch sie waren zu weit weg und flüsterten offenbar.
Einer der Männer hatte inzwischen die eiserne Türe
aufgesperrt und sie gingen hinein.
Paul und Elisa schlichen sich näher heran.
„Du bleibst da stehen, verstecke Dich hinter dem Vorsprung,
ich schaue nach.“, Paul hob den Zeigefinger, um seinen Worten mehr Bedeutung
beizumessen, dann schlich er sich an der Felsenwand entlang hin zum Eingang.
Die Männer
hatten starke Taschenlampen in den
Händen, die sich offenbar neben dem Eingang an der Wand befunden haben
dürften und leuchteten in den Raum
hinein. Man konnte von außen nicht sehen, wie tief hinein der Raum reichte, es
war dahinter jedenfalls dunkel und er verlief sich in der Tiefe.
Einer der
Männer nahm einen Zettel aus seiner Jackentasche und leuchtete darauf. Dann
strebte er zu einem der primitiv aufgebauten Tische und nahm einige der alten Stücke,
wickelte sie in das in der Holzkiste befindliche Zeitungspapier und legte eines
nach dem anderen dann sorgfältig hinein.
Er sagte etwas, was Paul leider nicht verstand zu den anderen und sie nahmen
einen Koffer, der ebenfalls auf einem der Tische lag.
Paul trat
vorsichtig in den Raum und drückte sich an die Wand, geschützt durch einen
Mauervorsprung.
Plötzlich
spürte er neben sich einen Atemhauch, es war Elisa. Er machte eine unwillige
Bewegung. Bevor er etwas sagen konnte, kamen die Männer in ihre Richtung und gingen, keine zwei Meter von ihnen
entfernt, zur Türe. Sie löschten die Taschenlampen, legten sie neben dem
Eingang ab und gingen hinaus. Paul und Elisa getrauten sich nicht zu atmen, um
nicht entdeckt zu werden, sie waren starr vor Angst. In dem Moment als
Paul klar wurde, dass sie die Türe
wieder verschließen würden, fiel die Türe aber schon zu und sie hörten, wie der
Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.
„Und, was
machen wir jetzt?“, flüsterte Elisa
Paul war ihr
unendlich dankbar, dass sie nicht zu schreien anfing, was er von einer Frau
unwillkürlich erwartet hatte.
„Moment, sie
haben ja Gott sei Dank, die Taschenlampen hier gelassen, wir werden einmal die
Lage sondieren“, er tastete sich in der völligen Dunkelheit an der Wand entlang
bis er die Nische fand wo er die Lampen vermutete. Es waren drei Lampen, er
entzündete eine davon.
Inzwischen
hörten sie, wie das Auto draußen wegfuhr.
„Sie sind
weg! Wie kommen wir hier denn wieder raus?“, nun klang die Stimme von Elisa
doch ängstlich, ja sogar ein wenig hysterisch.
Paul nahm
alle drei Stablampen zu sich, entzündete aber nur eine und leuchtete einmal
rundum.
„Bitte,
bewahre Ruhe. Wir werden einmal erkunden, wie groß die Höhle wirklich ist und
vielleicht finden wir einen anderen Ausgang.“
Paul nahm die
Hand Elisas, die sich sehr kalt anfühlte und drücke sie beruhigend. Sie gingen
zu den Tischen, die eigentlich nur aus Brettern bestand, die auf Podesten aus
aufgeschichteten Steinen lagen.
Beim Anblick
der unglaublich schönen Fundstücke vergaß Elisa für einige Momente ihre missliche
Lage und berührte sie fast scheu.
„Ach, sie
sind wunderschön! Wenn ich solche Dinge berühre, ist es für mich erregend und
aufregend zugleich! Stell Dir vor, sie sind fast dreitausend Jahre alt, haben
irgendwo unter der Erde all die Zeit gewartet, dass man sie findet! Für mich
sind sie keine leblosen Dinge, sie atmen, leben und erzählen Geschichten!“
„Ja, ich
finde sie auch schön, doch wir müssen trachten hier heraus zu finden, sonst
wird man uns ebenfalls irgendwann finden, aber leblos und wir werden nicht mehr
atmen!“ Paul leuchtete in die Dunkelheit, die Höhle schien sehr tief in den
Berg hinein zu gehen. Dann leuchtete er nach oben und stellte fest, dass es bis
zur Decke ungefähr vier Meter sein
dürften.
„Gehen wir
tiefer hinein?“, Elisa war inzwischen wieder die Situation klar geworden und
ihre Stimme klang wieder sehr ängstlich.
„Das wird
keinen Sinn haben, über uns ist Fels und wahrscheinlich kämen wir da immer
tiefer in den Berg hinein, da dürfte es keinen Ausgang geben. Wir müssten
vorerst einmal versuchen, neben der Türe nach einer Möglichkeit zu suchen. Aber
vorerst schauen wir noch in die Beiden Koffer hinein, was da drinnen ist.“
Paul
versuchte einen der beiden Koffer zu öffnen, doch er war versperrt. Er suchte
am Boden nach einem harten Gegenstand und fand einen spitzen Stein. Mit dem
Stein schlug er gegen die Beiden Schlösser und sie sprangen auf. Als er den
Deckel hob, entfuhr ihm ein überraschter Laut. Der Koffer beinhaltete Bündel
mit Geld, auf den Schleifen standen Beträge, sie waren augenscheinlich gezählt,
beschriftet und dann in dem Koffer verstaut worden.
„Also, wenn
der Bürgermeister hier seine Hände im Spiel hat, dann ist er ein reicher Mann.
Nur wird ihm das nicht alles alleine gehören. Aber wir werden das jetzt nicht
klären können.“ Er klappte den Deckel des Koffers wieder herab und leuchtete
nun die Wand hinter ihnen ab. Doch war da nur Fels zu sehen. Der Raum war nicht
sehr groß, die Sicht beschränkt.
Trotz des
Einwandes von Paul war Elisa doch tiefer in die Höhle vorgedrungen. Sie hatte
sich eine der beiden Stablampen, die Paul auf einen der Tische abgelegt hatte, genommen und leuchtete den
Fond ab. Auf dem Boden lagen eine Menge von größeren Steinen, auch
Keramikscherben. Sie zog die Schultern zusammen, langsam begann sie zu
frösteln. Es war naturgemäß wesentlich kühler als draußen und auch eine gewisse
Feuchtigkeit war zu spüren. Irgendwoher hörte man Wasser tropfen. Es klang, als
würde es aus großer Höhe herab tropfen.
„Elisa, geh
nicht weiter, bleib da, ich verliere Dich sonst aus den Augen!“, Paul leuchtete
in ihre Richtung.
„Ich glaube
da ist was, ich spüre auch einen leichten Luftzug, vielleicht ist da ein
Ausgang!“, rief Elisa zurück.
Paul ging ihr
langsam nach, als er sie erreichte, drehte er ihre Lampe ab.
„Wir müssen
mit dem Licht sparsam umgehen, wir wissen nicht, wie lange wir hier herinnen
sein werden“. Die Höhle hatte sich hier erweitert und man konnte sehen, dass
noch mehr Fundstücke auf dem Boden standen, teilweise zerbrochen, umgestürzt
oder total mit Staub bedeckt.
„Danae und
der Bürgermeister haben offenbar die schönsten Stücke hier herausgeholt und
nach vorne getragen. Es wäre interessant zu wissen, was das hier ist. Ist es
eine alte Höhle mit irgendeiner Funktion, oder wurde sie nur benutzt, um die
Funde zu lagern. Aber wenn man so herum schaut, müssen die Artefakte schon sehr
lange hier liegen. Sie sind teilweise unter einer dicken Schicht von Staub und
Schmutz begraben.“ Elisa hob eine kleine flache Schale auf und blies den Staub weg. „Schau, sie ist
wunderschön, da waren vielleicht Schmuckstücke drin, oder Essbares“.
„Sei still,
ich höre was“, Paul legte ihr die Hand auf den Mund.
Tatsächlich
konnte man Geräusche hören. Es klang wie der Wind in einem Kamin.
Nun konnte
auch Paul den leichten Luftzug spüren, den Elisa erwähnte.
„Ich glaube,
da ist wirklich irgendwo ein Ausgang, ich spüre diesen Luftzug auch“.
Sie lauschten
beide in die Dunkelheit.
„Komm, wir
gehen doch weiter hinein, aber bleibe hinter mir und halte Dich an meinem Hemd
an, damit ich spüre, dass Du noch da bist.“
Paul ging
langsam, vorsichtig einen Fuß vor den anderen stellend weiter. Er wollte
vermeiden, dass der Boden eventuell nachgab und sie abstürzten. Er war zwar
kein erfahrener Höhlenforscher, hatte aber einmal an einer Suchaktion teilgenommen.
Langsam
begann in Elisa Angst aufzusteigen. Mit jedem Schritt, den sei weiter
vordrangen, verloren sie die Rückendeckung. Es war stockfinster hinter ihnen,
sie konnten auch rechts und links keine Begrenzung mehr sehen. Sie konnten nur
nach vorne sehen und da schien die Höhle auch kein Ende zu nehmen. Paul blieb
stehen.
„Ich möchte
nicht weitergehen. Wir finden dann vielleicht nicht mehr zurück, wir haben
keine Anhaltspunkte im Raum, wir werden uns verirren. Die Höhle hat sich
verbreitert, wir wissen nicht, was rund um uns ist.“
Elisa setzte
sich auf einen Stein, den sie neben sich entdeckte und nun kroch die Angst
langsam in ihr hoch.
„Paul, wir
werden hier sterben. Wir finden keinen Ausgang, niemand weiß, dass wir hier
sind, es wird uns niemand suchen. Wer weiß außerdem, wann die Männer wiederkommen,
das kann Wochen dauern. Auch wenn es nur einige Tage sind, wir haben nichts zu
essen, nichts zu trinken, wir können nicht einmal Feuer machen, es gibt nichts
Brennbares hier.“
Sie begann
leise zu weinen.
„Bitte
beruhige Dich. Wir werden schon wieder raus finden.“ Er nahm sie bei den
Schultern und drückte sie an sich. Ihre Wärme strömte durch seinen Körper, er
spürte aber auch wie sie zitterte.
Keiner der
Beiden sprach ein Wort. Elisa weinte vorm sich hin, Paul dachte angestrengt
nach. Er könnt sie hier alleine lassen, weiter vordringen und die Quelle des
Luftzuges suchen. Doch wer weiß, ob es da tatsächlich eine Öffnung gab. Wenn ja, wie groß würde sie sein, in welcher
Höhe? Er verwarf diesen Gedanken wieder.
„Komm, wir
gehen zurück. Vielleicht kann ich die Türe aus den Angeln heben, oder wir
können uns hinaus graben“. Er nahm sie bei der Hand und sie gingen langsam in
die Richtung, aus der sie gekommen sind. Paul achtete auf die Spuren am Boden.
Sie hatten in dem Staub und Sand einige Spuren hinterlassen und die Stablampen
zeigten sie ihnen.
Plötzlich
hörten sie ein Klopfen, es dröhnte im Inneren der Höhle wieder.
„Wir sind
hier!“ Paul schrie so laut er konnte.
Neuerlich
schlug jemand an die eiserne Türe.
„Ich bin
Janis Rotatis, Police, Astynomia! Ist da jemand drinnen?“
Paul atmete
durch. Es war der Polizist aus dem Amtshaus, der anwesend war als sie vom Bürgermeister
einvernommen wurden. Er verstand zwar nicht was er sagte, doch er erkannte ihn
an der Stimme.
Sie hatten
die Türe erreicht und spürten glücklich, dass die Luft hier wesentlich besser
war, als hinten in der Höhle.
Elisa hatte
sich gefangen. Sie begann sofort mit Janis zu sprechen, da er ja offensichtlich
kein Englisch verstand.
„Wir sind so froh,
dass sie da sind! Wieso sind Sie denn überhaupt da, wie haben Sie uns denn
gefunden?“
„Ich wollte
mir Ihnen sprechen und kam am Morgen zu Ihnen, doch sie waren schon
weggefahren. Da es ja nur die eine Straße gab, ich Ihnen aber nicht begegnet
bin, konnten Sie nur in die Berge gefahren sein. Ich habe erst jetzt Ihr Auto
und den Eingang hier gefunden. Die Steine waren ein wenig lose geschichtet und
sind teilweise heruntergefallen. Sonst hätte ich Sie vielleicht nie gefunden.
Aber die Türe ist versperrt, wie sind Sie denn hineingekommen?“
Elisa
erklärte es ihm. Die Unterhaltung durch die Eisentüre war mühsam, sie mussten
schreien.
„Sag ihm, wir
sollten mit vereinten Kräften versuchen, die Türe aus den Angeln zu heben. Der
Türstock ist primitiv und nur ein Eisenrahmen, es müsste funktionieren. Alleine
hätte ich das nicht gekonnt.“
Elisa
erklärte es Janis und sie vereinbarten, dass Paul es von Innen und er es von
Außen versuchen wird. Doch es gelang nicht.
„Gehen Sie
von der Türe weg, ich werde das Schloss aufschießen!“ rief Janis frustriert.
Das war natürlich auch eine Möglichkeit, überlegte Paul und sie gingen wieder
ein wenig tiefer in die Höhle hinein.
Der Schuss
war laut und hallte in der Höhle wider, Janis stieß nun die Türe auf und sie
flog nach Innen.
Elisa stürmte
hinaus und warf sich auf den Boden. Sie war total erschöpft. Es war nicht die
körperliche Anstrengung, es war mehr der seelische Druck und die Angst, in
dieser Höhle sterben zu müssen.
Janis hatte
einige Wasserflaschen in seinem Wagen und auch eine Autoapotheke. Sie stützten
Elisa und geleiteten sie zu seinem Jeep
und legten sie auf die Rückbank. Sie trank eine der Flaschen fast leer und
Janis legte ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn und meinte sie soll sich ein
wenig hinlegen, die Augen schließen und sich beruhigen.
Dann nahm er
Paul beim Arm und führte ihn von dem Wagen weg. Zur Überraschung von Paul
gestand er:
„Ich kann ein
wenig Deutsch, ich habe eine kurze Zeit in Deutschland gearbeitet. Also, ich
muss Ihnen sagen, da haben Sie großes Glück gehabt, dass man Sie nicht entdeckt
hat. Denn diese Männer sind eiskalte Verbrecher, wer weiß, wie die reagiert
hätten!“
„Janis, ich
danke Ihnen, ihr Handeln hat uns das
Leben gerettet. Was sollen wir denn nun machen? Wie ist es mit dem Bürgermeister, arbeitet er mit
diesen Männern zusammen und wissen Sie etwas über das Verschwinden von Danae
und ihrer Schwester?“
AUSZUG AUS DEM ROMAN
"EILAND IM ZWIELICHT"
von JOANA ANGELIDES
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