Der Kuss
von Joana Angelides
Wie viele Menschen, Künstler
haben sich schon mit dem Kuss beschäftigt? Wir können es nicht sagen,
Unzählige!
„Küsse sind das, was von der Sprache des Paradieses
übrig geblieben ist“
Das schönste an diesem Satz
ist, jeder kann sie sprechen.
Dieser Satz stammt von Joseph
Conrad, einem einfühlsamen englischen Schriftsteller, polnischer Herkunft.
Es gibt natürlich die
verschiedenen Arten von Küssen, doch wir denken, wenn wir dieses Wort hören
sofort an den Kuss zwischen Liebenden, den nach Nähe verlangenden Kontakt.
Jenen Kontakt mit dem Körper des Objektes unserer Sehnsucht.
Die Römer nannten diesen
Kuss Suavium Der Kuss, der Süße, Erregung und Beschleunigung
des Blutes verspricht.
Ein Kuss zwischen Liebenden
ist ein sehr intimes Erlebnis, erfaßt den ganzen Körper und bringt das Blut in
Wallungen. Ein lang ersehnter, endlich erlebter Kuss kann den Liebenden
besinnungslos mache, wobei hier nicht unbedingt die tatsächliche
Besinnungslosigkeit verstanden wird, sondern Ausschalten aller anderen
Einflüsse, Eindrücke und Geschehnisse rundherum, mit allen Sinnen nur dem Kuss
folgend, ohne nachzudenken.
Vom Standpunkt der liebenden
Frau aus gesehen, ereignen sich unglaubliche Dinge.
Man schließt die Augen und
spürt, wie er ganz langsam seinen Mund auf den unseren senkt, nimmt den warmen Atem wahr, den Duft seines
Körpers. Das Herz setzt für
Sekundenbruchteile aus und dann breitet sich Wärme aus, der Brustkorb wird weit, man denkt er wird
zerspringen und dann durchfluten uns wunderbare, wellenförmige süße Gefühle.
Wir genießen seine
Zärtlichkeit, seine Nähe und die Art, wie er küßt.
Ein erster Kuss soll langsam
beginnen, mit einem forschenden, fast bittenden Blick in den Augen, ein
vorsichtiges Nähern der Gesichter. Die Lippen treffen aufeinander und zittern
meist ein wenig, bevor sie sich öffnen. Dieses ineinander Fließen von zwei
Menschen hat etwas Magisches an sich. Es kann verglichen werden mit dem Öffnen
einer Champagner-Flasche, nicht plötzlich und knallend, sondern langsam und
vorsichtig und erst dann mit einer kleinen Explosion, dem Heraufdrängen der
Köstlichkeit. Wenn dann die beiden Zungenspitzen aufeinander treffen, sich
umzüngeln und liebkosen, ist der vorläufige Höhepunkt der so ersehnten
Vereinigung erreicht. Ein solcher Kuss kann minutenlang dauern, beide zu einer
Einheit werden, die besonders uns Frauen oft den Boden unter den Füßen weg
zieht.
Ein besonders
einfühlsamer Mann nimmt sich immer wieder
ein wenig zurück, flüstert uns dazwischen Worte ins Ohr die uns in einen Rausch
versetzen, küßt uns dann wieder zärtlich; wir schmelzen fast vor lauter Gefühl.
Es sind Gefühle, die in der Körpermitte beginnen, das
Blut nach außen strömen lassen, in die Fingerspitzen, in die Zehenspitzen und
die Brustspitzen, die ein Ziehen im Herzen verursachen und dann in den Kopf
steigen und dort Mangels an Platz zu einem Feuerwerk werden.
Diese Intimität eines Kusses
ist etwas Wunderbares und Verbindendes, es läßt ein Glücksgefühl
entstehen, wenn man weiß, dass es aus dem Innersten kommt. Man muß spüren, dass
beider Empfindungen völlig in diesen Kuss aufgehen und dem Partner ebenfalls
die Sinne raubt.
Warum schließen wir die
Augen, richten den Blick nach Innen? Wir möchten uns diesem Gefühl hingeben,
die Entwicklung der Gefühle beobachten, wie in einem von Wolken und Wind
bewegten Himmel, wo sich die wundervollsten Wolkengebilde verändern, erneuern
und dahingetrieben werden.
Mit geschlossenen Augen
können wir unsere Umwelt besser ausschalten, nur unser Innerstes sehen, dem
Partner bis tief in die Seele blicken.
Manche Menschen möchten
sehen, wie der Partner in Bewegung gerät, wie er die Beherrschung über seinen
Körper verliert. Vielleicht haben manche
Menschen auch Angst ihren Gefühlen total ausgeliefert zu sein. Sie halten die
Augen geöffnet, der Blick wird nur ein wenig verschleiert, man ist machtlos
dagegen.
Im Laufe der weiteren
Beziehung zu einem Partner, immer intimer und tiefer werdend, verteilen wir Küsse
auch auf andere Körperteile, mit mehr oder weniger Intensität.
Sie werden daher auch in den
verschiedenen Bereichen unseres Körpers anders empfunden.
Natürlich entwickelt sich der
Kuss im Laufe einer Liebesbeziehung zu einem immer intensiveren Kontakt und
auch die Art des Kusses verändert sich. Je tiefer und größer die Liebe und
Leidenschaft wird, desto leidenschaftlicher und auch wilder und fordernder wird
der Kuss.
Es kann beginnen mit
impulsivem Anfassen des Partners, mit jäher, ausbrechender Leidenschaft, die
den Kuss fast schmerzhaft empfinden läßt. Die Körper beginnen sich
unkontrollierbar aneinander zu klammern und der Kuss geht nahtlos in Ekstase
über.
Natürlich lieben wir es nach
dem Abklingen des absoluten Höhepunktes, liebkost zu werden, mit Küssen auf
Schulter und Hals, leicht über das Haar streifend, beruhigt zu werden. Auch den
zarten Kuss auf den geöffneten Mund empfinden wir als wundervoll und erwidern
ihn. Es kann natürlich geschehen, dass durch diese zarten Küsse wieder
Empfindungen frei gesetzt werden, die den Kreislauf erneut in Bewegung setzen.
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