Sonntag, 8. Juni 2014

DER SCHMERZ, erotisch (SM)



Der Schmerz

von Joana Angelides


Ein kaum wahrnehmbares Geräusch in der Luft, ein kurzes Pfeifen wird hörbar und die Gerte findet ihr Ziel.
Der Atem stockt, der Schmerz bahnt sich  seinen Weg. Er frißt sich rasend schnell durch den Körper, scharf und beißend, erreicht in mehreren  Wellen das Gehirn und beginnt sich dort auszubreiten, explodiert und fließt wieder zurück.

Vom Moment an, wo die Gerte das anvisierte Ziel erreicht, den Schmerz durch den Körper jagt, bis zum befreienden Schrei vergehen nur Sekundenbruchteile, eine kleine Ewigkeit.
Nun wütet er, zerreißt Nerven, jagt Signale durch den Körper, läßt ihn sich aufbäumen und alles rundherum vergessen. Rote Kreise beginnen sich zu drehen und werden weißglühend.
Langsam ebbt er ab. Das ist der Moment, wo der zweite Hieb  der Gerte kommt, mitten in die abklingende Kurve trifft  und den Schmerz neuerlich auf den Weg schickt. Diesmal ist er stärker, kennt den Weg zum Gehirn schon, bis  in die letzte Nervenzelle, peitscht sie auf, läßt sie rot glühen und  tausend Messer  in die Nervenbahnen schicken. Die gesamte Nervenbahn beginnt zu vibrieren und zu singen wie Drähte unter Strom.
Alles ist rot, hinter dem Augapfel beginnt das Blut in einem roten Schleier zu fließen, zuckende Blitze erhellen das Innere und die Schreie gehen nahtlos in leises Wimmern über, und wenn der Schmerz das Gehirn durchlaufen hat und etwas abebbt, kommt der dritte, wohl dosierte Schlag.
Das Geheimnis liegt daran, den Schmerz der einzelnen Schläge voll wirken zu lassen, sie durch den Körper zu jagen, ihnen Zeit zu lassen, sich auszubreiten, die Wirkungen voll spürbar zu machen, bevor der nächste voll trifft.

Erst wenn die Flammen des Feuers den letzten Schmerz voll wirken und wieder abklingen lassen, dann wird der nächste Schlag zur Vollendung. Er trifft  das Schmerzzentrum, reißt letzte Barrieren auf und durchflutet den Körper, er versucht in eine Ohnmacht zu fliehen, bäumt sich auf, schreit seine Empfindungen heraus und erwartet trotzdem den nächsten Hieb.

Dieser reißt den Körper  in die Höhe, wieder wird alles rot, der Schmerz beginnt sich erneut zu drehen und bohrt sich tief in das zuckende Fleisch.
Es ist, als wäre der Körper geöffnet, als würde das rohe Fleisch  darliegen und   alles weiss und lautlos wird. Das Gehirn beginnt zu kochen, der Mund ist offen und man kann nicht mehr schreien. Die Wellen des Schmerzes erfassen jeden Muskel, sie zucken und verkrampfen sich, die Nerven sind aufs Äußerste gereizt, sie  senden eine Welle nach der anderen durch ihre Bahnen. Der Schmerz der vorangegangen Hiebe ist noch auf der Lauer, kompensiert diesen Schmerz und es wird die Hölle aufgetan.
Es ebbt nur langsam ab, jeder Hieb hat eine Erinnerung hinterlassen, sie verläßt den Körper nur langsam, jede Berührung der Haut ruft sie jedoch wieder hervor.
Doch in einer Form, der die Sinne anspannt, eine seltsame Erregung erzeugt, den Körper zum Sieden bringt. Bis ein Adrelaninstoß den Schmerz plötzlich relativiert und der Körper Endorphine ausschüttet, die allen Schmerz vergessen  und  ihn nur mehr fliegen lassen.
Dann merkt der Körper erst, dass er erregt ist. Alles Blut schießt in das Lustzentrum und nun schreit der Körper, den Schmerz nur mehr als Erinnerung im Hintergrund, nach Erlösung.

Der Schmerz war nur Vorbereitung, ein Öffnen der Empfindungen und zärtliche Hände bereiten nun die nächste Explosion vor, streichen über empfindliche Stellen, verstärken aufkeimende  Gefühle, lösen  eine ganze Perlenkette an Empfindungen aus.

Der Körper bäumt sich in einem ungeheuren Furioso erneut auf und verglüht.




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