Donnerstag, 17. April 2014

IM SCHATTEN DES OLIVENBAUMES, Roman 2. Kapitel







AUSZUG AUS DEM ROMAN 

"IM SCHATTEN DES OLIVENBAUMES"
von JOANA ANGELIDES

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Ausführliche
Leseproben



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Als sie ins Musikzimmer kam, war der Professor schon da und klimperte ein wenig auf den Tasten herum. Er war wieder leger gekleidet, hatte nur zusätzlich einen roten Schal, der ihm lose bis zum Gürtel hing. Er sah damit ein wenig unternehmungslustig, freier und jugendlicher aus.
„Ich denke, ich würde auch wieder Unterricht gebrauchen, bin total eingerostet. Oder ich kaufe mir ein Klavier, wo die Tasten beschriftet sind.“
Sie brachen beide in helles Lachen aus, das sie jedoch sofort abbrachen, als sich die Türe öffnete und Eleni das Kind herein schob und die Türe wieder schloss. Bevor sie jedoch die Türe schloss, flog ihr Blick zwischen Giselle und dem Professor hin und her. Er war ernst, prüfend und tadelnd zugleich.
Dimitri stand noch immer dort, wo ihn seine Großmutter hingestellt hatte und blickte Giselle ruhig und völlig teilnahmslos an. Es war, als würde er darauf warten, dass ihm irgendjemand sagte, was er nun tun soll.
Giselle trat einen Schritt auf ihn zu und streckte ihre Arme nach ihm aus. „Komm, wir spielen heute zusammen das Klavierstück, welches wir nun schon die ganze Woche geübt haben. Du brauchst keine Scheu zu haben, Christof ist ein guter Freund von mir aus Wien, er will uns nur zuhören.“ Sie vermied das Wort Angst und wählte das Wort Scheu, um ihn nicht zu ängstigen.
Ohne den Blick aus dem ihrem zu lösen kam Dimitri langsam auf sie zu und setzte sich auf die Klavierbank. Nun löste er langsam und zögernd den Blick, legte wie immer den dicken Plastikring oben auf das Klavier und seine kleinen, schlanken Hände auf die Tasten. Den Arzt würdigte er keines Blickes, als wäre er gar nicht da.
Sie setzte sich neben ihn und lächelte  leicht.
Christof Zeitlinger hatte es sich im Hintergrund in einem der großen, tiefen Fauteills bequem gemacht, lehnte sich dann erwartungsvoll zurück und schlug seine Beine übereinander.
Nun begannen sie zu spielen und die Musik perlte durch den Raum, schwang wie wunderbare Schleier um sie herum und erzeugte eine unwirkliche Stimmung.
Es gefiel ihm, was er hörte. Es erstaunte ihn, mit welcher Leichtigkeit der zarte Knabenkörper mitging, ja man spürte, dass ihm die Musik im Blut lag.
Doch um nichts weniger faszinierte ihn auch die zarte Frauengestalt, von der er nur die Rückenansicht zu sehen bekam. Sie wirkte biegsam wie eine Weidengerte, elastisch wie die Saite eines Musikinstruments und doch gespannt. Der faszinierende Übergang der Rückenlinie in die erotische Rundung ihres Pos ließ ihn mit den Augen unaufhörlich auf  dieser Linie auf- und abgleiten.
Schon sehr lange hatte ihn keine Frau so fasziniert, wie diese Frau mit ihrer erotischen Ausstrahlung und dem verhaltenem Feuer in ihrem Inneren. Nur Frauen, die unter großer erotischer Spannung stehen, haben diese Aura. Er spürte die emotional aufgeladene Atmosphäre in diesem Haus, mit ihr als Mittelpunkt. Er betrachtete den sorgfältig gebändigten Haarknoten im Nacken und ertappte sich dabei, wie er in Gedanken die sichtbare Spange löste und es über ihren Rücken herunterfiel.
Schon einmal gab es eine Frau, in deren Haaren er seine Finger versenken, darin wühlen und die Welt rund um ihn vergessen konnte. War es erst gestern oder vor hundert Jahren? Wo war das dunkle Lachen geblieben, der schwere Duft von Begierde und die erregenden Nächte? Schien alles in einem anderen Leben, vergessen oder verleugnet und wurde ihm doch plötzlich wieder schmerzlich bewusst.

Er schreckte aus seinen Betrachtungen auf, als die Musik unvermittelt abbrach. Das Stück war zu Ende und Dimitri ließ seine Hände in den Schoß sinken.
Christof applaudierte sofort, ehrlich und  begeistert.
Dimitri blieb jedoch regungslos sitzen. Er schien auf irgendetwas zu warten.
Giselle erhob sich und legte ihre beiden Hände auf seine Schultern.
„Komm, dreh Dich zu uns um, mein Freund ist ganz begeistert von Deinem Spiel, sicher will er es Dir auch sagen!“
Folgsam drehte er sich um und da geschah das Unfassbare. Er starrte auf den blutroten Schal, den Christof um den Hals geschlungen hatte und dessen beide Enden gerade nach unten hingen, hob beide Hände zum Gesicht und begann unvermittelt zu schreien. Der Anblick musste ihn erschreckt und ihm wahnsinnige Angst vermittelt haben.
Er hörte nicht mehr auf zu schreien, obwohl Giselle vor ihm kniete und auf ihn einsprach, ihn umarmte und küsste. Er war wie von Sinnen.
Da wurde die Türe aufgerissen und Eleni stürzt erschrocken herein.
„Was haben Sie mit ihm gemacht, was geschieht da?“ In ihrer Aufregung sprach sie jedoch griechisch und weder Giselle, noch Christof Zeitlinger konnten verstehen, was sie sagte. Sie stieß Giselle zur Seite, nahm das Kind auf den Arm und stürmte aus dem Musikzimmer.
Giselle blieb erschrocken und verwirrt zurück.
„Das habe ich noch nie erlebt, ich weiß gar nicht, was das ausgelöst hat! Wir haben doch eben noch so schön und völlig fehlerfrei gespielt!“
„Ich denke, ich weiß, was passiert ist. Sie erzählten doch, dass Kosta seine Frau in dieser denkwürdigen Nacht ihres Todes  im Arm hielt und  unaufhörlich ihr Blut zu Boden tropfte? Er erblickte nun diesen, nach unten weisenden roten Schal und er löste bei ihm die Erinnerung an das zu Boden tropfende Blut seiner Mutter aus. Sprechen Sie mit der Großmutter, ich würde jetzt unmittelbar zwar gerne mit dem Kind sprechen, aber es wird nicht möglich sein. Ich hole meine Arzttasche und werde ihm was Beruhigendes geben, damit er einschläft. Er braucht nun vor allem ein wenig Ruhe.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten verließ er den Raum und lief in sein Zimmer, um seine Arzttasche zu holen.
Giselle eilte zum Zimmer von Dimitri und öffnete die Türe ohne anzuklopfen.
Eleni saß in einem Schaukelstuhl, hatte Dimitri im Arm und summte eine Melodie, die Giselle nicht kannte. Sie bewegte ihn langsam hin und her und er schluchzte still vor sich hin.
Da die Türläden zum Balkon halb geschlossen waren und nur eine  kleine Lampe am Nachttisch brannte, lag der Raum im Halbdunkel.
„Legen Sie ihn da aufs Bett, wir werden ihn entkleiden. Der Arzt wird gleich kommen und ihm ein Beruhigungsmittel verabreichen. Dann wird er einmal schlafen.“
Eleni schüttelte wie ein eigensinniges Kind den Kopf und hörte nicht auf, ihn zu schaukeln und vor sich hin zu summen.
Giselle stand einen Augenblick ratlos vor ihr, fasste sich jedoch gleich wieder und konnte dann doch mit sanfter Gewalt das Kind aus ihren Armen heben und auf das Bett legen. Sie entkleidete ihn und sprach beruhigend auf ihn ein, doch er war nicht zu beruhigen. Das Schreien hatte zwar aufgehört, doch schluchzte er nach wie vor krampfartig vor sich hin. Sie hörte draußen den Arzt leise rufen, da er nicht wusste, hinter welcher der Türen er sie finden konnte.
„Hier Christof, die letzte Türe mit dem sanften Licht, da sind wir!“
Er kam herein, stellte seine Tasche auf einen der Sessel und öffnete sie. Er nahm eine Spritze heraus und zog eine glasklare Flüssigkeit auf. Um sich über das Kind beugen zu können, schob er Giselle sanft zur Seite und verabreichte ihm die Injektion. Nach wenigen Augenblicken hörte das krampfartige Schluchzen auf  und er schlief ein.
„So, das hätten wir. Er wird nun einmal bis gegen Mitternacht schlafen. Vielleicht hat das etwas ausgelöst, seine Erinnerung aus der Erstarrung gelöst. Wir werden sehen.“
Er drehte sich um und erst jetzt sah er Eleni in ihrem Schaukelstuhl. Auch sie war sehr erregt und zitterte heftig. Zum allerersten Mal sah Giselle diese stolze, ernste Frau völlig gebrochen. Sie hatte den Kopf in eine Hand vergraben und weinte still vor sich hin.
Mitleid stieg in Giselle auf. Sie trat auf sie zu und legte ihren Arm um ihre Schultern.
Sie ließ es geschehen, ihr Weinen wurde sogar stärker.
„Sie wissen, dass ich Arzt bin?“, fragte Christof sie leise.
„Ja, mein Sohn hat es mir gesagt“, antwortete sie mit leiser Stimme.
„Ich werde Ihnen auch eine Spritze zur Beruhigung geben. Legen Sie sich hin. Sie werden dann ruhiger werden und ein wenig schlafen, genau wie Ihr Enkelkind. Wir werden morgen darüber sprechen. Giselle wird nach einer Weile nach Ihnen und dem Kind sehen. Sie können sie sicher anrufen, wenn Sie einen Wunsch haben. Stehen Sie nicht alleine  auf und gehen Sie nicht die Treppe hinunter“, sagte er eindringlich.
„Ja, ich werde mich melden.“ Eleni nickte und erstaunt stellte Giselle fest, dass sie ihr ein kleines Lächeln schenkte.
Der Arzt gab der alten Dame die Beruhigungsspritze und Giselle führte sie in das angrenzende Zimmer, welches diese bewohnte, um immer in der Nähe von Dimitri zu sein. Sie schloss die Außenflügel der Balkontüre und angenehmes Halbdunkel hüllte auch diesen Raum ein. Dann  lehnte  sie die Türe zum Kinderzimmer nur an und ließ Eleni allein.

Es war in der Zwischenzeit Spätnachmittag geworden.
Im Haus herrschte jene Stille, die immer einkehrte, wenn die Arbeiten im Haushalt erledigt waren und sich alle auf ihr Zimmer begeben hatten, um vor dem Abendessen zu ruhen oder ihren Neigungen nachzugehen.
„Bleiben Sie hier bei Dimitri, falls er wider Erwarten doch aufwacht, oder gehen Sie auf Ihr Zimmer?“, fragte Christof.
„Nein, ich bleibe auf jeden Fall hier, ich hätte keine ruhige Minute“, sagte sie mit großer Sorge in der Stimme.
„Ich werde Sie auch  nicht alleine lassen, ich hätte auch keine Ruhe, was mit Ihnen und den beiden geschieht. Wir könnten uns auf die Terrasse setzen, da haben wir beide Zimmer im Auge und können alle Bewegungen registrieren. Außerdem könnten wir uns ein wenig unterhalten“, sein Lächeln hatte etwas Bittendes an sich.
„Ja, das ist eine gute Idee!“, erwiderte sie zustimmend.
Sie traten hinaus in den beginnenden Abend, rückten die Balkonsessel so, dass sie die untergehende Sonne im Rücken hatten und ließen sich von den milden Strahlen berühren.
Die ersten Minuten sprachen sie beide kein Wort. Sie genossen die Stil-le nach dieser aufregenden Stunde, ließen beide ihren Gedanken freien Lauf. Der Unterschied lag nur darin, dass sich ihre Gedanken in völlig verschiedene Richtungen bewegten.
Sie dachte mit großer Sorge an diesen plötzlichen Ausbruch der Gefühle, den Dimitri hatte, versuchte die Ursache festzumachen. Es könnte wirklich ohne weiteres sein, dass der rote Schal Christofs die Erinnerung an das tropfende Blut hervorgeholt hatte. Es kam ihr jedoch auch der Gedanke, dass er solche Anfälle vielleicht  schon des Öfteren hatte und sie wurden von Eleni verschwiegen. Oder die Anwesenheit eines Fremden so plötzlich im Haus störte  seine Ruhe, seine Gewohnheit?
Sie zog die Schultern zusammen, als ob ihr kalt wäre.
Die Gedanken des Mannes kreisten ausschließlich um ihre Person. Er hatte von Frank Wagner erfahren, dass sie aus Wien fast geflüchtet war, dass sie eine enttäuschende Ehe hinter sich hatte und sich ganz unerwartet eine Verantwortung für ein fremdes Kind aufgeladen hatte, um sich scheinbar abzulenken.
Was Frank in Wien nicht wissen konnte, aber Christof mit seiner Menschenkenntnis und seinem Instinkt sofort gespürt hatte, war die Tatsache, dass sie hier in einen emotionalen Strudel taumelte, den sie ohne Hilfe von außen nicht in den Griff bekommen konnte.
Es schien, als wäre sie andauerndem Beschuss ausgesetzt, nicht nur von einer, sondern von zwei Seiten. Er dachte an die starke fordernde   Kraft, die von Kosta ausging und die sanfte, aber nicht minder starke  von Georg, dem Bruder.
Es wird sie zerreißen, sie wird es nicht aushalten, war sein Urteil.
Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, sie gehalten und beschützt. Eine für ihn völlig neue Regung. Immerhin kannte er sie ja erst seit wenigen Stunden und es war nicht seine Art, sich sofort für einen Menschen, auch nicht für eine Frau so zu engagieren, sich so schnell zu jemand  hingezogen zu fühlen.
Als sie die Schultern nach oben zog und ein wenig seufzte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. In seinen Gedanken war er eben dabei, mit flacher Hand über ihren Rücken zu streichen und am Ende des Rückens inne zu halten. Er war über sich selbst äußerst erstaunt.
„Ist Ihnen kalt, soll ich eine Jacke für Sie holen?“, fragte er besorgt und legte dabei seine Hand auf ihren Arm.
„Nein danke, es waren nur meine Gedanken, die sich wild überschlagen. Was war nur mit Dimitri geschehen?“
„Giselle! Ich würde gerne zum Du übergehen, man kann da leichter über seelische Probleme sprechen, wenn es Dir recht ist?“
Sie lächelte ihn an, denn sie wollte es ihm schon die ganze Zeit vorschlagen, hatte sich aber nicht getraut.
„Ja, Christof. Ich wollte das auch vorschlagen. Es spricht sich sicher leichter.“
Was für ein feinfühliger Mann er doch war! Sie spürte in seiner Gesellschaft eine unglaubliche Geborgenheit, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gefühlt hatte.

Im Schatten des Olivenbaumes

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